Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilung von Geräusch- und Schalleinwirkungen bei Windenergieanlagen
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 906 Abs. 1, § 1004 Abs. 1; TA Lärm; ZPO § 286
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 29. November 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens und die durch die Nebenintervention verursachten Kosten.
III. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte bzw. die Nebenintervenientin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger verlangen von der Beklagten die Einstellung des Betriebs einer Windenergieanlage, hilfsweise Schutzvorkehrungen gegen Beeinträchtigungen von Eigentum und Gesundheit durch den Betrieb.
Die Klägerin zu 1) ist Eigentümerin der Flurstücke ... und ... in der Gemeinde A., Gemarkung B, Flur 2, und bewohnt gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Kläger zu 2), das dort befindliche Wohnhaus. Das Grundstück liegt in einem Dorf- / Mischgebiet im Sinne der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26. August 1998 (nachfolgend: TA Lärm).
Die Beklagte betreibt etwa 1.190 m vom Wohnhaus der Kläger entfernt eine Windenergieanlage vom Typ Enercon E-101 mit einer Leistung von 3,05 MW, einer Nabenhöhe von 99 m, einem Rotordurchmesser von 101 m und einer Gesamthöhe von 149,50 m. Die bestandskräftig genehmigte Anlage liegt in der Gemeinde A, Gemarkung B, Flur 4, Flurstück .... Gemäß der gleichfalls bestandskräftigen Änderungsgenehmigung vom 16. Mai 2017 darf die Windenergieanlage in der Nachtzeit mit einer Leistung von 1.500 kW und einem Schallleistungspegel von 102,6 dB (A) betrieben werden. In der Umgebung befinden sich etwa 50 weitere Windenergieanlagen.
Die Kläger haben die Beklagte erstinstanzlich auf Unterlassung des Betriebs, hilfsweise auf Vornahme von Maßnahmen zur Sicherstellung, dass weder ihr Eigentum noch ihre Gesundheit durch den Betrieb beeinträchtigt werden, in Anspruch genommen. Die Beklagte hat der E-GmbH den Streit verkündet. Bei der E-GmbH handelt es sich um die Herstellerin der streitgegenständlichen Windenergieanlage. Die E-GmbH ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines schalltechnischen Gutachtens im schriftlichen Verfahren mit Zustimmung der Parteien abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie machen geltend, dass die vom Landgericht hinsichtlich der Lärmbeeinträchtigung zugrunde gelegten Grenzwerte unzutreffend seien und nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprächen. Zudem seien die Messungen des Sachverständigen unverwertbar; Prognoseberechnungen oder punktuelle Kurzzeitmessungen seien unzureichend, allein mehrwöchige Langzeitmessungen ermöglichten verlässliche Aussagen. Auch habe der Sachverständige das nunmehr verbindliche Interims-Verfahren nicht angewandt. Zur Frage einer Beeinträchtigung durch Infraschall habe der Sachverständige keine Messungen vorgenommen und - was nicht ausreichend sei - lediglich ausgeführt, dass eine solche Beeinträchtigung nicht zu erwarten sei. Die Kläger verweisen hinsichtlich der von Infraschall ausgehenden Gefahren für die Gesundheit auf Studien und Berichte des Karlsruher Instituts für Technologie, der Universität Mainz, des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, des Kopenhagener Krebsforschungszentrums, der Deutschen Schutzgemeinschaft Schall für Mensch und Tier e.V. und verschiedener Mediziner. Schließlich sei der Sachverständige X nicht neutral und unparteiisch, da er in erheblichem Umfang Aufträge der Betreiber von Windenergieanlagen entgegennehme und in Gremien tätig sei, die eindeutig der Windlobby zuzuordnen seien. Das Landgericht habe Vortrag der Kläger zu einem Diskoeffekt und Schattenwurf übergangen; die zeitlichen Eckwerte der Genehmigung würden weit überschritten, die Beklagte sei ihrer Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Genehmigung nicht nachgekommen. Der Gefahr von Eiswurf begegne die Beklagte nur durch die Anbringung von Warnschildern, was nicht ausreichend sei. Eine ständige Aktivierung der Tag-Nacht-Erkennung sei nicht erforderlich. Das Landgericht verkürze die Sach- und Rechtslage, wenn es hinsichtlich der geltend gemachten optisch bedrängenden Wirkung allein auf die Entfernung der Windenergieanlage zum Haus der Kläger abstelle. Letztlich fehle eine Ermittlung und sachverständige Beurteilung der gesamten Immissionsbelastungen. Die Kläger verweisen insoweit auf das Urteil des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Obe...