Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliche Falschberatung bei Auslegung eines Unterhaltsvergleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Es stellt eine anwaltliche Falschberatung dar, wenn in Auslegung eines Unterhaltszahlungen in bestimmter Höhe „unabänderbar bis zum 30.11.1996” festlegenden Vergleichs der Anwalt dem Unterhaltspflichtigen für den Zeitraum nach dem 30.11.1996 von der Erhebung einer Äbänderungsklage wegen verringerter Leistungsfähigkeit abrät. Durch einen derartigen Vergleich soll nämlich nur die Abänderbarkeit der Unterhaltsansprüche bis zum 30.11.1996 ausgeschlossen werden, i.Ü. aber auch für die Zukunft ein Unterhaltstitel geschaffen werden.
2. Zum Fortfall der Kausalität der anwaltlichen Falschberatung für einen ersatzfähigen Schaden bei Möglichkeit der rückwirkenden Erhebung einer Abänderungsklage.
3. Anwaltsgebühren stehen dem Anwalt auch bei Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages zu, sofern nicht die Anwaltsleistung grob fehlerhaft oder unbrauchbar ist.
4. Eine ersichtlich unbrauchbare Anwaltsleistung liegt im Falle der Stellung eines Vollstreckungsschutzantrages nach § 765 a ZPO vor, sofern der Schuldner bereits nach anderen Bestimmungen hinreichend geschützt werden kann und deshalb eine Anwendung dieser eng auszulegenden Ausnahmevorschrift nicht in Betracht kommt.
Verfahrensgang
LG Flensburg (Urteil vom 14.06.2002; Aktenzeichen 3 O 546/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.6.2002 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Flensburg geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 360,60 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 28.12.2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 5 %, der Kläger 95 %. Von den Kosten des Rechtsstreits II. Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 8 %, der Kläger 92 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 4.256,02 Euro.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzungen und verlangt von den Beklagten überdies Rückzahlung eines geleisteten Anwaltshonorars. Er wirft den Beklagten vor, sie hätten durch einen bei ihnen damals angestellten Rechtsanwalt den im Rahmen einer familienrechtlichen Auseinandersetzung mit seiner damaligen Ehefrau am 21.11.1995 abgeschlossenen Vergleich zu Ziff. 3, wie er im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wiedergegeben ist, falsch ausgelegt und ihm deshalb einen falschen anwaltlichen Ratschlag gegeben.
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Hiergegen wendet sich die fristgerecht eingereichte und begründete Berufung der Beklagten.
Das LG hat einen Schaden des Klägers zunächst darin gesehen, dass er mangels Erhebung einer Abänderungsklage für den Zeitraum von Juni 1998 bis Juli 2000 auf der Grundlage des Vergleiches monatlich 450 DM zahlen müsse, während seine tatsächliche Leistungsfähigkeit wegen seines stark gesunkenen Einkommens (Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente) wesentlich geringer gewesen wäre. Infolgedessen müsse der Kläger seinem Sohn H. noch (bislang nicht geleistete) 3.895,42 Euro Unterhalt für diesen Zeitraum zahlen, den er im Falle der Erhebung einer Abänderungsklage nicht hätte zahlen müssen. Ausschlaggebend für die Annahme eines durch die Beklagten verursachten Schadens sei der Umstand, dass der Kläger nachträglich für den fraglichen Zeitraum Juni 1998 bis Juli 2000 Abänderung nach § 323 ZPO nicht mehr verlangen könne, weil er dieses Abänderungsbegehren nicht rechtzeitig ab Juni 1998 in einer den Anforderungen des Verzuges entspr. Weise seinem Sohn ggü. geltend gemacht habe. Das LG ist dabei einer älteren Entscheidung des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe v. 5.8.1983 – 16 WF 161/83, FamRZ 1983, 1156 f.) gefolgt.
Die Beklagten hätten dem Kläger i.Ü. auch ein erhaltenes Honorar von 360,60 Euro zu erstatten. Die Beklagten hätten im Mai 1998 für den Kläger fehlerhaft einen Antrag auf Vollstreckungsschutz bezüglich des Scheidungsfolgenvergleiches gem. § 765a ZPO – auch hinsichtlich drohender Vollstreckung der Kinder wegen offenen Unterhaltes für die Vergangenheit i.H.v. 11.700 DM – gestellt (AG Niebüll – 15 M 989/98). Dieser Antrag sei von Anfang an ohne Aussicht auf Erfolg, diese Tätigkeit der Beklagten für den Kläger deshalb nutzlos gewesen.
Die Beklagten greifen dieses Urteil wie folgt an: Die Erstrichterin habe sich auf eine Mindermeinung des OLG Karlsruhe gestützt, der der BGH in seinem Urt. v. 11.4.1990 (BGH, Urt. v. 11.4.1990 – XII ZR 42/89, MDR 1990, 1008 = FamRZ 1990, 990 = NJW 1990, 3274) deutlich entgegengetreten sei. Der BGH habe nämlich ausgeführt, einer rückwirkenden Abänderung der notariellen Urkunde stehe ...