Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung von § 476 BGB beim Pferdekauf
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem individuell ausgesuchten Reitpferd, das einen Sachmangel aufweist, scheidet eine Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung im Regelfalle von vornherein aus.
2. Die Lahmheit eines Pferdes infolge einer Osteoathritis ist ein Mangel, der ohne weiteres mit der gesetzlichen Vermutung des § 476 BGB vereinbar ist.
Normenkette
BGB §§ 434, 437, 439, 476
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 21.12.2012) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 21.12.2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Lübeck wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Reitpferd.
Die Kläger erwarben - für ihre Tochter - mit Vertrag vom 28.7.2009 (Bl. 11 ff. d.A.) von dem Beklagten, der u.a. gewerblich mit Pferden handelt, die fünfjährige Holsteiner Stute "C" zu einem Kaufpreis von 15.500 EUR. Das Pferd wurde als Springpferd verkauft. Das von den Parteien verwandte Kaufvertragsformular stammte von den Klägern.
Vor dem Kauf hatte die Tochter der Kläger die Stute probegeritten, wobei ein Proberitt daran scheiterte, dass das Tier auf dem rechten Vorderbein lahmte. Zum Zeitpunkt eines weiteren Proberitts, und auch bei Kauf/Übergabe lahmte die Stute hingegen nicht.
Einige Wochen nach Übergabe trat wiederum Lahmheit an dem vorderen rechten Bein ein. Die Kläger ließen das Pferd tierärztlich behandeln, wodurch die Lahmheit aber nicht nachhaltig beseitigt werden konnte, vielmehr trat diese Anfang November 2009 wieder auf. Die Kläger erklärten daraufhin am 8.11.2009 den Rücktritt vom Kaufvertrag. In der Folgezeit lehnte der Kläger eine Rückabwicklung ab.
Die Kläger haben behauptet, die Stute weise einen Sachmangel auf, der schon nach der gesetzlichen Vermutung bereits bei Übergabe vorgelegen habe. Sie haben neben der Rückzahlung des Kaufpreises Zahlung der Kosten für die Ankaufsuntersuchung, Zahlung der Tierarztkosten für die Stute sowie die Unterbringungskosten bis einschließlich Februar 2012 geltend gemacht.
Die Kläger haben beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 21.291,21 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8.1.2010 sowie weitere 6.548 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf jeweils 313,20 EUR seit dem 04.03., 06.04., 06.05., 04.06., 06.07., 05.08., 06.09., 06.10., 04.11., 6.12.2010, 06.01., 04.02., 04.03. und 6.4.2011, auf jeweils 150 EUR seit dem 06.06., 06.07., 04.08., 6.9.2011, auf jeweils 275 EUR seit dem 04.11., 6.12.2011, 05.01. sowie dem 6.2.2012 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pferdes "C" zu zahlen; den Beklagten zu verurteilen, ihnen als Gesamtgläubigern vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.253,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8.1.2010 zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat in Abrede genommen, dass das verkaufte Tier mangelhaft sei. Er hat die Auffassung vertreten, jedenfalls hätte ihm Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben werden müssen, da er vergleichbare Tiere zur Verfügung gehabt hätte. Der Beklagte hat auch die weiter geltend gemachten Kosten bestritten.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils nebst darin enthaltenen Verweisungen Bezug genommen.
Das LG hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben, lediglich wegen der Unterbringungs- und Fütterungskosten für den Monat August 2009 i.H.v. 313,20 EUR hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Inhalt der Beweisaufnahme stehe fest, dass das Pferd mangelhaft sei, denn die Stute weise subchondrale Veränderungen als Folge einer Osteoarthritis des Fesselgelenks vorne rechts mit der Folge dauernder Lahmheit auf. Zum Springen sei das Pferd deswegen nicht mehr geeignet. Ob dieser Mangel bereits bei Übergabe am 28.7.2009 vorhanden oder angelegt war, stehe zwar nicht fest. Insofern greife aber § 476 BGB; im Hinblick auf § 8 des Kaufvertrages könne dabei dahinstehen, ob die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels vereinbar oder unvereinbar sei. Die entsprechende Klausel des Kaufvertrages sei gegenüber dem Beklagten als Kaufmann wirksam. Letztlich habe es auch nicht des Setzens einer Frist zur Nacherfüllung gem. § 439 BGB bedurft, weil den Umständen nach die Stute nicht einfach austauschbar gewesen sei.
Mit seiner Berufung macht der Beklagte insbesondere geltend, er sei sehr wohl zur Nachbesserung in Form der Ersatzlieferung berechtigt und a...