Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des Verbraucherpreisindex nach Fortfall des Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes
Leitsatz (amtlich)
Nach Fortfall des vertraglich vereinbarten Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes ist, jedenfalls wenn die Daten für den Verbraucherpreisindex in der gesamten relevanten Zeit bereits erhoben und berechnet wurden und die letzte Mietpreiserhöhung zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Verbraucherpreisindex bereits geführt wurde, ausschließlich der Verbraucherpreisindex für die Frage der Mietzinserhöhung heranzuziehen.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 242
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 06.05.2010; Aktenzeichen 10 O 228/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.5.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Itzehoe wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.744,72 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Mieterhöhungsbeträgen.
Laut Mietvertrag aus Oktober 1985 vermietete die Rechtsvorgängerin der Klägerin der Rechtsvorgängerin der Beklagten Geschäftsräume in der F. in S. Auf den Inhalt des Mietvertrags (Anlage K 2) wird Bezug genommen. § 6 des Mietvertrags (MV) enthält folgende Wertsicherungsklausel:
"Für die ersten drei Mietjahre nach Bezugsfertigkeit ist der in § 2 vereinbarte Mietzins fest vereinbart.
Nach Ablauf dieser Zeit kann sich auf Verlangen einer Seite der Mietzins um 60 % der prozentualen Indexveränderung ändern, wenn nach dem dritten Mietjahr der Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushaltes der mittleren Einkommensgruppe in der Bundesrepublik Deutschland (Basis 1980 = 100) um 10 Prozent oder mehr steigt bzw. fällt. Die ersten drei Jahre (Abs. 1) sind indes neutral. Feststellungsgrundlage dafür sind die monatlichen Veröffentlichungen des statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. Die Mietzinsveränderung gilt ab dem zweiten Monatsersten, der dem begründeten Antrag folgt.
Jeweils frühestens drei Jahre nach einer Mietzinsveränderung kann sich der Mietzins erneut um 60 % der prozentualen Indexveränderung verändern, wenn der genannte Lebenshaltungsindex abermals um 10 Prozent oder mehr steigt oder fällt.
Wenn sich entsprechend dieser Regelung der ursprüngliche Mietzins nach oben oder unten um mehr als insgesamt 50 Prozent verändert hat, hat bei Ermäßigung der Vermieter, bei Erhöhung der Mieter das Kündigungsrecht jeweils mit einer Frist von einem Jahr."
Später traten die Klägerin auf der Vermieterseite und die Beklagte auf der Mieterseite in das Mietverhältnis ein.
Mit Schreiben vom 31.7.2000 verlangte die Klägerin eine Anpassung der Miete auf der Grundlage von § 6 MV. Auf den Inhalt des Erhöhungsschreibens (Anlage K 3) wird Bezug genommen. Bei dieser Mietanpassung wurde der Lebenshaltungskostenindexes eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts für Juni 2000 zugrunde gelegt. Seit Oktober 2000 zahlte die Beklagte die angeforderte Miete i.H.v. 13.005,40 EUR zzgl. Nebenkostenvorauszahlung i.H.v. 30 EUR und zzgl. Mehrwertsteuer.
9Zum 1.1.2003 stellte das statistische Bundesamt die Herausgabe des Lebenshaltungskostenindexes eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts ein.
Mit Schreiben vom 15.5.2006 machte die Klägerin eine Anpassung der Miete gem. § 6 MV auf der Grundlage des Verbraucherpreisindexes mit einer Basis 2000 = 100 geltend (Anlage K 1). Sie fordert darin eine erhöhte Nettomiete von 13.786,50 (zzgl. 30 EUR = 13.816,50 EUR zzgl. 16 % USt. = 16.027,14 EUR), die sie wie folgt berechnet: Bei einem Stand im Juni 2000 von 99,9 Punkten (umbasiert) und einem Stand im April 2006 von 109,9 Punkten ergibt sich eine Veränderung von 10 Punkten, was 10,01 % entspricht. Es errechnen sich 1.301,84 EUR, 60 % davon ergeben 781,10 EUR.
Zuzüglich Mehrwertsteuer beläuft sich der Erhöhungsbetrag bis Ende 2006 auf 906,08 EUR und ab 2007 auf 929,51 EUR.
Mit der Klage macht die Klägerin rückständige Erhöhungsbeträge für den Zeitraum Juli 2006 bis einschließlich Dezember 2006 i.H.v. monatlich 906,08 EUR, für den Zeitraum Januar 2007 bis einschließlich Dezember 2008 i.H.v. monatlich 929,51 EUR geltend.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten:
Durch den Wegfall des Lebenshaltungskostenindexes eines 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalts sei im Vertrag eine Regelungslücke entstanden, welche durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen sei. An die Stelle des weggefallenen Indexes sei auf den geltenden Verbraucherpreisindex für Deutschland abzustellen. Bei der letzten Mietanpassung im Jahre 2000 sei der Index für Juni 2000 zugrunde gelegt worden....