Entscheidungsstichwort (Thema)
Erweiterter Inhaltsirrtum und unbeachtlicher Motivirrtum im Überweisungsverkehr
Leitsatz (amtlich)
Ein Irrtum bei der Überweisung auf ein Gemeinschaftskonto darüber, dass es sich nicht um ein sog. Und-Konto, sondern um ein Oder-Konto handelt, kann im Einzelfall ein unbeachtlicher Motivirrtum und kein erweiterter Inhaltsirrtum sein.
Normenkette
BGB § 119
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 12.03.2010; Aktenzeichen 6 O 322/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers vom 26.3.2010 gegen das am 12.3.2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Itzehoe wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von dem beklagten Land die Zustimmung zur Auskehrung eines beim AG ... zum Az ... hinterlegten Betrages i.H.v. 7.000,- EUR.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Anfechtung der Überweisung des Klägers auf das Gemeinschaftskonto seiner Eltern gemäß Anlage K 2 dem Kläger keinen Anspruch auf Zustimmung zur Auskehrung des geltend gemachten Betrages verschaffe.
Ein Anfechtungsrecht des Klägers sei nicht gegeben. Die vom Kläger behauptete Unkenntnis, dass es sich bei dem Gemeinschaftskonto seiner Eltern um ein Oder-Konto gehandelt habe, stelle keinen zur Anfechtung berechtigenden erweiterten Inhaltsirrtum dar, sondern einen unbeachtlichen Motivirrtum.
Mit der Behauptung des Klägers, er habe durch die Überweisung auf das Gemeinschaftskonto nur seiner Mutter schenkweise einen Betrag zuwenden wollen und nicht gewusst, dass seine Eltern ihr Gemeinschaftskonto als Oder-Konto geführt hätten, habe er nicht hinreichend dargetan, dass er einem Irrtum im Hinblick auf die Natur des Gemeinschaftskontos als Oder- statt als Und-Konto unterlegen sei. Ein Gemeinschaftskonto stelle nämlich sowohl das von den Eltern des Klägers geführte Oder-Konto, welches eine Einzelberechtigung beider Kontoinhaber und damit das typische Ehegattenkonto darstellen würde, als auch das sog. Und-Konto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung beider Inhaber des Kontos dar. Auch bei einem Gemeinschaftskonto in Form des Und-Kontos habe die Mutter des Klägers nicht allein über den Betrag verfügen können, sondern nur gemeinsam mit ihrem Ehemann, so dass dieser ebenfalls Zugriff auf das Geld erhalten hätte, auch wenn dann eine Forderungspfändung nur durch einen Titel gegen beide Inhaber des Kontos hätte erfolgen können. Wenn der Kläger in seiner Anfechtungserklärung angegeben habe, er habe gewusst, dass es sich bei dem Konto seiner Eltern um ein Gemeinschaftskonto handele, folge daraus, dass ihm bewusst gewesen sei, dass nicht allein seine Mutter Zugriff auf das Geld haben würde, sondern auch eine Zugriffsberechtigung seines Vaters damit eingeräumt worden sei. Dementsprechend habe sich der Kläger auch nicht über die Verfügungsberechtigung über das Kontoguthaben geirrt. Zu keinem Zeitpunkt habe die Mutter ausschließlich (d.h. unter Ausschluss des Ehemannes) über das Kontoguthaben verfügen können.
Im Übrigen handele es sich bei der Folge, dass auf den überwiesenen Betrag auch die Gläubiger des Vaters des Klägers Zugriff hätten nehmen können, lediglich um eine mittelbare Rechtswirkung, die zu der gewollten und eingetretenen Rechtsfolge, nämlich dass die Mutter des Klägers über den Betrag verfügen können sollte, lediglich hinzugetreten sei, so dass es sich nicht um einen erweiterten Inhaltsirrtum im Sinne eines Irrtums des Erklärenden über die Rechtsfolgen seiner Erklärung handele, sondern um einen unbeachtlichen Motivirrtum.
Auch sei die Anfechtungserklärung nicht unverzüglich i.S.d. § 121 BGB erfolgt. Ausweislich der Anlage K 4 habe der Kläger bereits Anfang Januar 2009 gewusst, dass das Gemeinschaftskonto vom Finanzamt gepfändet worden sei. Er weise sogar auf die unterschiedlichen Rechtsauffassungen über die vom Finanzamt getätigten Maßnahmen, das Gemeinschaftskonto zu pfänden, hin. Damit habe der Kläger in diesem Moment sämtliche Tatsachen, die maßgeblich für seine Anfechtungserklärung sein konnten, gekannt. Daher sei die erst im Mai 2009 erklärte Anfechtung nicht mehr unverzüglich.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger. Er führt zur Begründung aus, dass die Anfechtung fristgemäß erfolgt sei, weil er erst wenige Tage vor seiner Anfechtungserklärung vom 20.5.2009 erfahren habe, dass es sich bei dem Gemeinschaftskonto um ein Oder-Konto und nicht um ein Und-Konto gehandelt habe. Die Bank seiner Eltern habe ihn zudem über die Qualität des Gemeinschaftskontos wie über die Schulden des Vaters getäuscht.
Darüber hinaus habe er einen Anfechtungsgrund, denn er sei bei seiner Erklärung einem beachtlichen erweiterten Inhaltsirrtum unterlegen. Zur Begründung führt er an, dass ...