Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des GmbH-Geschäftsführer für Nichtabführung von Arbeitgeberanteilen
Leitsatz (amtlich)
1. Der GmbH-Geschäftsführer haftet gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB nur dann persönlich für den durch die Nichtabführung des Arbeitnehmeranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstandenen Schaden, wenn er die rechtzeitige Abführung der Beiträge vorsätzlich unterlassen hat, wobei bedingter Vorsatz genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für ein entsprechendes Verschulden des Geschäftsführers liegt beim Kläger.
2. Bei mehreren Geschäftsführern einer GmbH führt eine interne Zuständigkeitsregelung nicht zu einer völligen Aufhebung ihrer Verantwortlichkeit sondern lediglich zu einer Beschränkung, denn grundsätzlich ist jeder Geschäftsführer für alle Angelegenheiten der Gesellschaft – mithin auch für die ordnungsgemäße Abführung der Sozialversicherungsbeiträge – verantwortlich. Der primär für die Lohnbuchhaltung nicht zuständige Geschäftsführer haftet kraft seiner Allzuständigkeit noch für gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssten. Eine solche Überwachungspflicht kommt vor allem in finanziellen Krisensituationen zum Tragen, in denen die laufende Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet erscheint. Entscheidend für die Frage der (bedingt vorsätzlichen) Verletzung dieser Überwachungspflicht ist, ob der intern unzuständige Geschäftsführer zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten Kenntnis von der Finanzkrise der Gesellschaft hatte und ob es für ihn Anhaltspunkte dafür gab, dass die pünktliche und vollständige Abführung der Sozialversicherungsbeiträgen durch den intern dafür zuständigen Mitgeschäftsführer nicht mehr gewährleistet war.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2; StGB § 266a
Verfahrensgang
LG Flensburg (Aktenzeichen 2 O 28/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.6.2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Flensburg wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 13.564,27 DM.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet, weil die subjektiven Voraussetzungen für die persönliche Haftung des Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a Abs. 1 StGB nicht vorliegen.
Dabei kann offen bleiben, ob hier bereits der objektive Tatbestand des § 266a Abs. 1 StGB nicht erfüllt ist. Das könnte hinsichtlich der am 15.8.1999 abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge zweifelhaft sein, denn grundsätzlich ist ein „Vorenthalten” i.S.d. Gesetzes nur dann gegeben, wenn der Arbeitgeber im Fälligkeitszeitpunkt die Möglichkeit zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge hatte. Unmöglichkeit in diesem Sinne kann auch dann gegeben sein, wenn dem Arbeitgeber im maßgeblichen Zeitpunkt die Zahlungsfähigkeit fehlte (BGH v. 21.1.1997 – VI ZR 338/95, NJW 1997, 1237 = GmbHR 1997, 305 = MDR 1997, 460). Für eine entsprechende Zahlungsunfähigkeit ist ausnahmsweise allerdings der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig, weil nur er über die Kenntnis der Tatsachen verfügt, die ihn insoweit entlasten könnten (vgl. hierzu OLG Naumburg BB 1999, 1621; OLG Düsseldorf v. 27.10.1995 – 22 U 53/95, NJW-RR 1996, 289 [290] = GmbHR 1996, 368 = OLGReport Düsseldorf 1996, 57). Ob die entsprechende Behauptung des Beklagten allerdings zutrifft, dass zu dem maßgeblichen Zeitpunkt die Liquidität der N nicht mehr gegeben war, muss jedoch nicht entschieden werden.
Entscheidend ist, dass sich hinreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite des § 266a Abs. 1 StGB nicht treffen lassen. Der GmbH-Geschäftsführer haftet nur dann für den durch die Nichtabführung des Arbeitnehmeranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstandenen Schaden, wenn er die rechtzeitige Abführung der Beiträge vorsätzlich unterlassen hat, wobei bedingter Vorsatz genügt (BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130 [132, 133] = BGHZ 133, 370 [381] = GmbHR 1997, 25 = MDR 1997, 151). Der Geschäftsführer muss daher die Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit kennen und wollen oder wenigstens billigend in Kauf nehmen, dass diese Pflicht nicht erfüllt wird (BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130 [132, 133] = BGHZ 133, 370 [381] = GmbHR 1997, 25 = MDR 1997, 151). Dabei ist mindestens zu fordern, dass sich der Geschäftsführer mit der Nichtzahlung der Beiträge abgefunden hat (BGH v. 1.10.1991 – VI ZR 374/90, VersR 1991, 1378 [1380] = GmbHR 1992, 170 = MDR 1992, 29). Nicht erforderlich ist hingegen das Bewusstsein, selbst zum Handeln verpflichtet zu sein. Es genügt vielmehr, wie allgemein bei echten Unterlassungsdelikten, dass der Täter diejenigen Umstände kennt, die seine Handlungspflicht begründen (BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, VersR 1996, 1538 [1540] = GmbHR 1997, 25 = MDR 1997, 151).
Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt insoweit die Darlegun...