Leitsatz (amtlich)
1. Eine Vereinbarung, dass die Abtretung einer Geldforderung gegenüber dem Schuldner erst wirkt, wenn sie ihm vom alten und vom neuen Gläubiger schriftlich angezeigt wird, wird von § 354 a Satz 1 HGB nicht erfasst.
2. § 354 a HGB gilt nicht für Vereinbarungen, die vor seinem Inkrafttreten getroffen sind.
3. Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass eine Abtretungsanzeige unter Verwendung eines vorgegebenen Formblattes des Schuldners erfolgen muss, ist nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.
Orientierungssatz
Inhaltlicher und zeitlicher Geltungsbereich des § 354 a HGB bei vereinbarter Abtretungsanzeige.
Normenkette
HGB § 354a; AGBG § 9
Beteiligte
Rechtsanwälte Jensen und Dietz |
Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen |
Verfahrensgang
LG Lübeck (Aktenzeichen 10 O 538/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 20. September 1999 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 27.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 865.071,77 DM.
Tatbestand
Die Klägerin macht aus einem ihr von dem Bauunternehmen F abgetretenen Recht Schadensersatz nach § 6 Nr. 6 VOB/B geltend. Die Beklagte hatte diesem Bauunternehmen am 24. März 1994 für rund 6.300.000 DM den Zuschlag für Bauarbeiten an der Integrierten Gesamtschule in G erteilt. Dem Vertrag lagen die Zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführungen von Bauleistungen – ZVB – zugrunde. Nach Ziffer 32.1 ZVB können Forderungen des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber ohne Zustimmung des Auftraggebers nur abgetreten werden, wenn die Abtretung sich auf alle Forderungen in voller Höhe aus dem genau bezeichneten Auftrag einschließlich aller etwaiger Nachträge erstreckt. In Ziffer 32.2 erster Spiegelstrich ZVB ist bestimmt, daß eine Abtretung von Forderungen des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber gegenüber dem Auftraggeber erst wirkt, wenn sie ihm vom alten Gläubiger (Auftragnehmer) und vom neuen Gläubiger unter genauer Bezeichnung der auftraggebenden Stelle und des Auftrags unter Verwendung des vorgegebenen Formblattes des Auftraggebers schriftlich angezeigt worden ist. In der Schlußrechnung vom 23. Januar 1996 verlangte die Firma F von der Beklagten wegen „Bauzeitverlängerung” 444.434,11 DM, wegen „Störfaktoren” 307.802,22 DM, brutto insgesamt 865.071,77 DM. Die Beklagte bestritt die Berechtigung dieser Forderung und verweigerte die Zahlung. Ein Vergleichsangebot der Beklagten auf Zahlung von 120.000 DM nahm die Firma F nicht an. Ende März 1998 vereinbarte sie schriftlich mit der Klägerin, daß die Forderung an diese abgetreten werde. Die Klägerin hat über die Forderung den der Beklagten am 7. April 1998 zugestellten Mahnbescheid des Amtsgerichts Bad Schwartau vom 1. April 1998 erwirkt. Die Beklagte hat gegen den Mahnbescheid am 14. April 1998 Widerspruch erhoben. Die Anspruchsbegründung ist am 11. Dezember 1998 bei dem Amtsgericht Bad Schwartau eingegangen und der Beklagten zusammen mit dem als Anlage beigefügten Schreiben der Klägerin vom 26. März 1998 und der undatierten Abtretungsvereinbarung (Anlage K 1) am 18. Januar 1999 zugestellt.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Schreiben vom 26. März 1998 und die Abtretungsvereinbarung seien der Beklagten noch im März 1998 zugegangen. Ziffer 32 ZVB weiche von § 354 a Satz 1 HGB ab und sei unwirksam. Die Verjährung sei nicht vollendet. Die Beklagte schulde den verlangten Schadensersatz.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 865.071,77 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7. April 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, daß ihr das Schreiben vom 26. März 1998 und die Abtretungsvereinbarung vor dem 18. Januar 1999 zugegangen sind. Ziffer 32 ZVB sei wirksam. Die Regelung sei nicht nach § 9 AGBG unwirksam und werde von dem erst nach Abschluß des Vertrages am 1. August 1994 in Kraft getretenen § 354 a HGB nicht erfaßt. Die Verjährung sei vollendet. Schadensersatz schulde sie nicht.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, ausgesprochen, daß die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Ein in Ziffer 32 ZVB enthaltenes Abtretungsverbot weiche von § 354 a Satz 1 HGB ab und sei unwirksam. Die geltend gemachte Forderung sei erst nach Inkrafttreten dieser Bestimmung entstanden und werde von ihr erfaßt. Die Verjährung sei nicht vollendet.
Gegen das ihr am 24. September 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 19. Oktober 1999 beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig eingereichten Schriftsatz Berufung eingelegt und sie nach Fristverlängerung bis 21. Februar 2000 mit einem am 15. Februar 2000 eingegangenen Sc...