Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 06.10.1993; Aktenzeichen 3 O 40/93) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. Oktober 1993 verkündete Urteil der Einzelrichter in der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck (3 O 40/93) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte unter Klagabweisung insoweit statt ausgeurteilter 10 % Zinsen lediglich 8,15 % Zinsen zu zahlen hat.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt, die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt 10.578,85 DM.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Absatz 1 ZPO abgesehen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist, abgesehen von einem geringfügigen Erfolg hinsichtlich der Zinshöhe, nicht begründet.
Dabei folgt der Senat im wesentlichen den Gründen der angefochtenen Entscheidung.
So ist mit dem Landgericht zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich des gesamten geltend gemachten Anspruches zu bejahen. Ein Fall der gewillkürten Prozeßstandschaft liegt vor. Gemäß Ziffer II der privatschriftlichen Vereinbarung zwischen den Eheleuten S. vom 8. Februar 1993 (vgl. Hülle Blatt 57) hat der Zeuge S. die Klägerin ermächtigt, mögliche Schadensersatzansprüche auch für ihn geltend zu machen. Als Miteigentümerin am Grundstück und Ehefrau des Zeugen ist ja auch ein entsprechendes schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der Ansprüche für ihren Mann zuzubilligen.
Dem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, daß in Ziffer I der genannten Vereinbarung die Klägerin ihre Schadensersatzansprüche ausdrücklich an ihren Ehemann, dem Zeugen S., abgetreten hat und dieser die Abtretung angenommen habe. Wie sich sowohl aus der in Ziffer II niedergelegten Ermächtigung der Klägerin, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, wie auch aus der von den Eheleuten S. zwischenzeitlich vorgelegten Vereinbarung von 23. August 1994 (Blatt 146 f dA) ergibt, handelte es sich bei der Abtretung der Ansprüche an den Zeugen S. um einen offensichtlichen Irrtum. Erkennbar wollten die Eheleute gerade eine Abtretung der Ansprüche vom Ehemann auf die Klägerin vornehmen, da ihr, wie dem Sinn der Vereinbarung deutlich entnommen werden kann, grade das Recht zukommen sollte, die Ansprüche allein im Prozeßwege geltend zu machen.
Die Klage ist aber auch in der Sache begründet. Dabei kann es dahinstehen, ob hier, wie die Klägerin vorträgt, als Anspruchsgrundlage auch § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 9 Landeswaldgesetz in Betracht kommt. Dies könnte nämlich fraglich sein, weil sich ohne weitere Anhaltspunkte kaum ermitteln läßt, ob das Grundstück der Beklagten als ein Waldgrundstück im Lande des Landeswaldgesetzes zu qualifizieren ist.
Schadensersatzansprüche sind aber – wie vom Landgericht ausgeführt – unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Absatz 1 BGB wie auch gemäß §§ 823 Absatz 2 in Verbindung mit 1004 BGB gegeben. Nach der von der Beklagten selbst vorgelegten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 23. April 1993 (Blatt 116 ff, 120 dA) löst eine beeinträchtigende Einwirkung vom Nachbargrundstück eine Haftung des Eigentümers dann aus, wenn der Eigentümer sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn sie erst durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden sind.
Gerade ein solches pflichtwidriges Unterlassen muß hier aber angenommen werden. Zwar dürfte es richtig sein, daß – wie die Beklagte meint – die Eigentümer von an einer Grundstücksgrense stehenden Bäumen nicht dieselben gesteigerten Sorgfaltspflichten haben, wie Eigentümer, deren Bäume an einen Öffentlichen Weg oder an eine öffentliche Straße grenzen. Denn eine Gefährdung anderer ist bei dieser Sachlage sehr viel größer als bei jener, da bei öffentlichem Verkehr eine unbestimmte Vielzahl von Personen geschädigt werden kann, während bei einem Grenzbaum – wie hier – Personenschaden relativ unwahrscheinlich ist und auch ein möglicher Sachschaden überschaubar. Gleichwohl stellt ein Grenzbaum stets eine mögliche Gefahrenquelle für ein Nachbargrundstück dar, wobei der Umfang der Gefahr im Verhältnis zu Standort, Größe und Beschaffenheit des Baumes steht. Je näher ein Baum an der Grundstücksgrenze steht (bei auf das Nachbargrundstück überhängenden Teilen gilt dies erst recht), je größer und älter er ist und je stärker er durch Krankheiten, Umwelteinflüsse etc. geschädigt ist, desto höher ist die von ihm für das Nachbargrundstück ausgehende potentielle Gefahr. Dementsprechend erhöht sich die Pflicht eines Grundstückseigentümers, ausreichende Gefahrenvorsorge zu treffen, in dem Maße, wie sich durch Wachstum, Alterung und sonstige Faktoren Gefahrenmöglichkeiten und Schwere einer möglichen Schädigung steigern.
Vorliegend handelte es sich um einen bereits relativ mächtigen Baum mit einem Stammdurchmesser von ca. 1,50 m und einer Höhe von gut 30 m, der unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum klägerischen Grundstück stand. Da die von einem derartigen Baume im Falle eines Bruches a...