Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchliche Berufung auf Vertragsunwirksamkeit nach § 139 BGB
Leitsatz (amtlich)
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann durchgreifen, wenn sich eine Vertragspartei unter Berufung auf § 139 BGB ihrer Vertragspflichten - hier aus einem Grundstücksgeschäft - insgesamt entledigen will, obwohl der abtrennbare nichtige Regelungsteil - hier eine wegen § 2290 Abs. 1 BGB unwirksame Erbvertragsaufhebung - nur den Gegner belastet, der aber am Vertrag im Übrigen festhalten will.
Normenkette
BGB §§ 139, 242, 2290
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 06.01.2005; Aktenzeichen 7 O 255/04) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 6.1.2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Itzehoe wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien - zwei Brüder - streiten um die Verteilung des restlichen Kaufpreises aus dem Verkauf eines bebauten Grundstücks durch ihre am 31.10.2004 verstorbene Mutter.
Der Kläger hat von dem Beklagten Zahlung von 18.878,02 EUR zu viel erhaltenen Anteils an dem Verkaufserlös gefordert, der Beklagte von dem Kläger widerklagend Zahlung weiterer 7.269,35 EUR. Hinsichtlich der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat Klage und Widerklage abgewiesen. Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung stehe dem Kläger nicht zu, denn die Zahlung sei mit Rechtsgrund erfolgt. Durch den notariellen Vertrag vom 13.10.2003 habe zwar wegen § 2290 Abs. 1 BGB der Erbvertrag vom 4.3.1987 nicht wirksam aufgehoben werden können, wohl aber der am gleichen Tag geschlossene Vertrag über die Überlassung des Wohngebäudegrundstücks. Den Vertrag vom 13.10.2003 habe der Kläger auch nicht wirksam anfechten können. Die Mutter habe über den Verkaufserlös wirksam in Form einer Schenkung unter Lebenden verfügen können, insoweit greife zugunsten des Klägers auch nicht der Schutz des § 2287 BGB. Auch dem Beklagten stehe kein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus abgetretenem Recht zur Verfügung.
Gegen dieses Urteil hat lediglich der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt und diese form- und fristgerecht begründet.
Der Kläger macht geltend:
Das LG sei zu Unrecht von einer Teilwirksamkeit des notariellen Vertrages vom 13.10.2003 im Hinblick auf die dort enthaltene Aufhebung der Grundstücksüberlassung ausgegangen. Tatsächlich sei der gesamte Vertrag nach den §§ 2290, 139 BGB unwirksam. Es sei - so schon sein erstinstanzlicher Vortrag - schlechterdings nicht vorstellbar, dass die Parteien das Grundstücksgeschäft auch hätten aufrechterhalten wollen, wenn der Erbvertrag nicht aufgehoben worden wäre. Zwischen dem 1987 am gleichen Tag abgeschlossenen Erbvertrag und dem Grundstücksüberlassungsvertrag bestünde ein deutlicher innerer Zusammenhang, der sich bereits aus dem Wortlaut der beiden Urkunden ergebe. Diese Verträge seien nach ihrem jeweiligen Inhalt miteinander verknüpft. Deshalb habe der Notar N. später auch beide Verträge in der von ihm gefertigten Urkunde angesprochen und insoweit Regelungen vorgenommen, wobei die Änderung des Erbvertrages aber nach § 2290 BGB nicht möglich gewesen sei. Die Rechtsprechung habe ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.d. § 139 BGB bei einer Mehrheit von äußerlich getrennten, in mehreren Urkunden niedergelegten Geschäften angenommen, wenn der Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet sei, dass die äußerlich getrennten Geschäfte miteinander stehen und fallen sollten. Das sei hier hinsichtlich der beiden Verträge aus dem Jahre 1987 der Fall gewesen.
Was die spätere Urkunde des Notars N. angehe, ergebe sich der Einheitlichkeitswille schon daraus, dass es sich hier um eine Regelung innerhalb von einer Urkunde handele. Deshalb müsse logischerweise die Nichtigkeit der Erbvertragsaufhebung gem. § 139 BGB auch zur Nichtigkeit der Vereinbarung betreffend die Aufhebung des Grundstücksübertragungsvertrages führen. Für die gegenteilige Argumentation des Beklagten, der nämlich meine, dass die fehlgeschlagene Erbvertragsaufhebung keine Auswirkung auf das Grundstücksrückabwicklungsgeschäft habe, trage er die Darlegungs- und Beweislast. Er müsse beweisen, dass es Wille der Vertragschließenden gewesen sei, das eine Geschäft nicht von dem anderen abhängig sein zu lassen.
Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, wäre der Vertrag vom 13.10.2003 aber wegen der vom Kläger erklärten Anfechtung insgesamt unwirksam. Das LG übersehe, dass es bei der Auskunft, für die Veräußerung des Objekts sei die Zustimmung des Beklagten notwendig, um eine eigene Erklärung des Beklagten selbst gehe, die der Kläger angefochten habe. Der Notar N. habe diese Auskunft zwar bestätigt, den Kläger aber dabei nur in seiner Vorstellung bestärkt, er müsse den Kompromiss mit dem Beklagten schließen, um die Grundstücksveräußerung durchführen zu können. Es liege ein beiderseitiger Irrtum über die subjektive...