Leitsatz (amtlich)
1. Beabsichtigen die Gründungsgesellschafter einer GmbH innerhalb deren Firmennamen Namensbestandteile einer Einzelfirma zu verwenden, so hat der beratende Rechtsanwalt unter Beachtung des Grundsatzes des „sichersten Weges” darauf hinzuweisen, dass jedenfalls mit der Möglichkeit der späteren Annahme einer Firmenfortführung i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB zu rechnen ist. Dies gilt umso mehr, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Handelsgeschäft der Einzelfirma ganz oder teilweise tatsächlich fortgeführt werden soll.
2. Der Anspruchssteller hat die behauptete Verletzung der anwaltlichen Beratungspflicht nur zu beweisen, wenn der Rechtsanwalt seinerseits eine entsprechende und ausreichende Belehrung sowie den Verlauf des Beratungsgesprächs substantiiert dargelegt hat.
3. Zu den Voraussetzungen einer Fortführungshaftung nach § 25 HGB.
Normenkette
HGB § 25 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 2 O 251/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten zu 1), 2) und 4) gegen das am 15.6.2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Die Beklagten zu 1), 2) und 4) tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten zu 1),2) und 4) wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 470.000 Euro abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 394.884,32 Euro (= 772.326,59 DM).
Tatbestand
Der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma R. GmbH verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen anwaltlicher Fehlberatung ggü. den Geschäftsführern dieser GmbH. Er wirft den Beklagten vor, im Rahmen einer rechtlichen Beratung über die Gründung der GmbH auf ein bestehendes Haftungsrisiko nach § 25 Abs. 1 HGB nicht hingewiesen und über den möglichen Ausschluss dieser Haftung nach § 25 Abs. 2 HGB nicht belehrt zu haben, weshalb der GmbH ein erheblicher Schaden entstanden sei.
Die Zeugen S. und E. – die späteren Geschäftsführer der genannten GmbH – planten im Frühjahr 1998, sich gemeinsam im Bereich der Rohrsanierung selbständig zu machen. Nachdem der Zeuge S. bereits im Dezember 1997 und erneut auch im Frühjahr 1998 Gespräche mit dem Beklagten zu 3) geführt hatte, beauftragten die Zeugen S. und E. schließlich die Sozietät der Beklagten, sie bei der Unternehmensgründung zu beraten. Die rechtliche Beratung übernahm der Beklagte zu 1). Er führte u.a. am 12.6.1998 mit den Zeugen S. und E. ein mehrstündiges Beratungsgespräch. Dem Beklagten zu 1) war zum Zeitpunkt dieser Beratung bekannt, dass es sich bei dem Zeugen R.S. um den Sohn des M.S. handelte, der in H. ein im Bereich der Kanalrohrsanierung tätiges Unternehmen unter der Firma „R. Ing. M.S.” betrieb, bei dem der Sohn R. beschäftigt war. Seinerzeit war bei dem LG Kiel ein Rechtsstreit anhängig, in dem eine Firma Tief- und Verkehrsbau St. GmbH (TVS) die R. Ing. M.S. auf Schadensersatz i.H.v. über 970.000 DM in Anspruch nahm (Az.: 9 O 367/94). Dort war der Beklagte zu 1) als Korrespondenzanwalt für die Firma TVS tätig.
Nach der genannten Besprechung vom 12.6.1998 übersandte der Beklagte zu 1) wenige Tage später den Entwurf eines Gesellschaftsvertrages für die R. GmbH. Dort war vorgesehen, dass die Gesellschaft ihren Sitz in K. haben und Gegenstand des Unternehmens die Sanierung und Instandhaltung von Rohrleitungen, einschlägige Ingenieurdienstleistungen, Erdverfestigungen und Handel mit Materialien und Geräten, die im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit stehen, sein sollte. Auch fertigte er Entwürfe für Geschäftsführerverträge, in denen im Rubrum jeweils von der „R. GmbH, H.” die Rede war und wo vorgesehen war, dass der Zeuge R.S. als Geschäftsführer insb. die Leitung der Betriebstätte Nord in H. übernehmen sollte, der Zeuge L. (später E.) dagegen die Leitung der Betriebsstätte Süd in 86551 Aichach.
Die Zeugen S. und E. erwarben schließlich durch notariellen Vertrag vom 12.7.1998 die vormalige Vermögensgesellschaft X. GmbH, um sie als R. GmbH zu betreiben.
Durch Urteil vom 6.10.1998 wurde die R. Ing. M.S. in dem bereits genannten Rechtsstreit verurteilt, an die Firma TVS Schadensersatz i.H.v. 538.598,51 DM nebst 7,75 % Zinsen seit dem 29.10.1994 wegen einer fehlgeschlagenen Abwasserrohrsanierung zu zahlen. Dieses Urteil ist nicht angefochten und infolgedessen rechtskräftig geworden. Am 21.6.1999 erwirkte die Firma TVS diesbezüglich eine vollstreckbare Ausfertigung auch zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen die R. GmbH als Firmenübernehmerin gem. § 729 Abs. 2 ZPO. Dies wurde durch Beschluss des 16. Senates des OLG Schleswig vom 19.8.1999 – 16 W 145/99 – (Blatt 601 ff. der beigezogenen Akten des Verfahrens LG Kiel – 9 O 367/94) bestätigt. Über das Vermögen der Firma R. GmbH wurde durch Beschluss des AG Kiel vom 26.11.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Schadensersatzforderung der Firma TVS, die sich nebst Zinsen und Kosten de...