Entscheidungsstichwort (Thema)
Belehrungspflichten des Notars bei Firmenfortführung
Leitsatz (amtlich)
Die Belehrungspflicht des Notars gem. § 17 Abs. 1 BeurkG kann bei der Beurkundung eines Gesellschaftsvertrages sich auch auf den Zusammenhang mit § 25 HGB bestehenden Gefahren erstrecken.
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 27.02.2003; Aktenzeichen 12 O 191/02) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 27.2.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Lübeck wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 308.795,61 Euro.
Gründe
I. Die Kläger nehmen den Beklagten aus abgetretenem Recht des Dr. B. als Insolvenzverwalter der Fa. S. M. GmbH auf Schadensersatz in Anspruch. Sie werfen dem Beklagten vor, die Herren Thomas Sch. und Kai M. im Zusammenhang mit der Errichtung und Beurkundung des Gesellschaftsvertrages der "S. M. GmbH" nicht über die Risiken einer Fortführungshaftung aus § 25 HGB und deren Vermeidung aufgeklärt zu haben.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien erster Instanz und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich sämtlicher dortiger Bezugnahmen verwiesen.
Das LG hat der Klage aus § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO stattgegeben. Es hat angenommen, der Beklagte habe bei der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages seine Belehrungspflicht aus § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG ggü. der zu gründenden GmbH verletzt. Er habe es unterlassen, auf das Haftungsrisiko aus § 25 HGB und die Möglichkeit des Haftungsausschlusses hinzuweisen. Dadurch sei der Schaden verursacht worden. Eine zumutbare anderweitigen Ersatzmöglichkeit stehe nicht zur Verfügung.
Hiergegen wendet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten. Der Beklagte macht geltend:
Der Beurkundungsvorgang habe für sich allein keine Haftung aus § 25 Abs. 1 HGB ausgelöst. Zu der Haftung sei es erst infolge des Kaufvertrages gekommen, durch den die neu gegründete GmbH die Einrichtung des Ladengeschäftes von Herrn Rainer M. übernommen hätte. Damit sei der Beklagte nicht befasst gewesen. Die Gründung der neuen GmbH unter der vorgesehenen Firmierung sei noch keine Fortführung i.S.d. § 25 HGB. Auf die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB sei bei der Beurkundung des Gesellschaftsvertrages schon deshalb nicht hinzuweisen gewesen, weil solches - wenn überhaupt - allenfalls im Kaufvertrag hätte geregelt werden müssen.
Die Belehrungsbedürftigkeit entfalle jedenfalls im vorliegenden Fall, weil das Einzelhandelsunternehmen Elbe-Einkaufszentrum bereits vor der Gründung der GmbH von dem früheren Inhaber Rainer M. durch Mutter und Sohn Kai M. ohne jede Haftungsbeschränkung übernommen und fortgeführt worden sei. Zudem sei dem Beklagten mitgeteilt worden, das Geschäft solle von der GmbH mit Aktiva und Passiva übernommen werden. Eine Belehrungsbedürftigkeit habe vor diesem Hintergrund nicht bestanden, weil die Übernahme gerade auch mit den Passiva gewollt gewesen sei.
Ein Ursachenzusammenhang zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem Schaden bestehe nicht, weil sich Herr Rainer M. auch bei einer Belehrung der GmbH bzw. ihrer Gründer auf einen Haftungsausschluss nach § 25 Abs. 2 HGB nicht eingelassen hätte.
Es entfalle jedenfalls der Schutzzweckzusammenhang. Es sei nämlich nicht einzusehen, dass die Kläger neben Herrn M. sen. und der GmbH noch einen dritten Schuldner in der Person des Beklagten erhalten würden.
Das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gegen den Steuerberater Wehnsen und gegen Herrn Rainer M. sen. nicht in Betracht komme.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und ergänzen:
Der Beklagte habe erstinstanzlich nicht vorgetragen, dass nach der Darstellung des Herrn Sch., wie er sie vor der Beurkundung dem Beklagten gegeben habe, die Mutter und der Sohn M. das Geschäft im Elbe-Einkaufszentrum mit allen Rechten und Pflichten "fortgeführt" hätten. Solches wäre auch sachlich nicht richtig gewesen. Zudem sei die Behauptung des Beklagten in der Berufungsbegründung, die neu zu gründende GmbH habe das Einzelhandelsgeschäft mit Aktiva und Passiva übernehmen sollen, verspätet und unzutreffend.
Der Beklagte könne sich auf eine subsidiäre Haftung aus § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO schon deshalb nicht berufen, weil ein Fall selbstständiger Beratungstätigkeit nach § 24 Abs. 1 BNotO vorliege.
Hinsichtlich des Weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat keinen Erfo...