Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Abnahme im Werkvertragsrecht; Zurückbehaltungsrecht des Bestellers nach Eintritt des Annahmeverzuges mit der Nachbesserung
Leitsatz (amtlich)
Eine fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB tritt auch dann ein, wenn der Besteller bereits vor der Fristsetzung Mängel des Werks gerügt hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Werkunternehmer keine erheblichen Mängel des Werks bekannt sind.
Nach Eintritt des Annahmeverzuges mit der Nachbesserung kann der Besteller nach wie vor ein Zurückbehaltungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB geltend machen, allerdings beschränkt auf die Höhe der Mangelbeseitigungskosten
Normenkette
BGB § 640 Abs. 2, § 641 Abs. 3
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.06.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise geändert.
Das Versäumnisurteil vom 16.01.2020 wird aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von 804,70 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.09.2018 sowie 78,90 EUR vorgerichtlicher Kosten verurteilt worden ist.
Hinsichtlich des Betrages von 804,70 EUR wird die Beklagte unter Zurückweisung des uneingeschränkten Zahlungsantrags und der Zinsforderung insoweit zur Zahlung an die Klägerin Zug um Zug gegen die Beseitigung folgender Mängel in den Büroräumen verurteilt:
An der von der Tür aus rechten Wand des Büros sind Pickel unter dem Gewebe oberhalb der ersten Leuchte und links unterhalb der zweiten Leuchte sichtbar. Weiter ist dort oberhalb der Wandlampe eine Delle im Untergrund sichtbar. An der Türwand ist zwischen Tür und Schrank im Bereich des Nagels eine Gewebefalte vorhanden.
An der Fußleiste in der rechten Leibungsseite der Balkontür ist an der Außenecke eine Holzfehlstelle und in der Fläche, an der großflächig der Lack abgeplatzt war, ist die neu aufgetragene Lackschicht im Randbereich hochgekommen. An der Fußleiste an der Türwand zwischen Tür und Schrank befindet sich eine Holzfehlstelle und die Oberseite ist unsauber gearbeitet.
Bei dem Anschluss an die Wand ist die Unterseite der NMC-Leiste mit Wandfarbe statt weiß gestrichen worden. Im Bereich der linken Bürowand von der Tür aus gesehen wurde mit der Wandfarbe in die Decke/den Sturz hineingemalt. Am rechten Fensterflügel des linken Fensters befindet sich ein Farbfleck.
Am rechten Heizkörper sind an den unteren Vorderkanten Bereiche nachzulackieren.
An dem aus dem Büroraum kommend rechten Fenster im Treppenhaus ist die obere Abschlussleiste zur Decke hin nicht deckend gestrichen. An der rechten Fensterseite befinden sich Übermalungen mit der Lackfarbe in den Wandbereich hinein oder die Abklebung ist zu entfernen und der Bereich nachzuarbeiten. An dem aus dem Büroraum kommend linken Fenster scheint der Untergrund durch.
Hinsichtlich der vorgerichtlichen Kosten wird die Klage in Höhe des Teilbetrages von 78,90 EUR abgewiesen.
Die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 16.01.2020 im angefochtenen Urteil erstreckt sich danach nur auf die Verurteilung zur Zahlung von 3.256,47 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.09.2018 sowie 413,64 EUR vorgerichtlicher Kosten.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 20 % und die Beklagte 80 %. Ausgenommen davon sind die Kosten der Säumnis in der ersten Instanz, die die Beklagte trägt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils für die andere Partei vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zur Klärung der Frage zugelassen, ob eine fiktive Abnahme nach § 640 Abs. 2 BGB ausscheidet, wenn der Besteller bereits vor dem Abnahmeverlangen die Abnahme unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt die Zahlung von Werklohn.
Aufgrund eines Angebots der Klägerin vom 05.02.2018 (Anlage K 1, AB) vereinbarten die Parteien die Durchführung von Malerarbeiten in der Beklagten gehörenden Büroräumen. Nach Durchführung der Arbeiten kam es zu einem Termin am 15.05.2018, bei dem jedenfalls die Tapezierarbeiten an zwei Wänden beanstandet wurden. Die Klägerin sagte Nacharbeiten zu. Unter dem 22.08.2018 stellte die Klägerin ihre Rechnung über 4.061,17 EUR (Anlage K 2, AB).
Mit Schreiben vom 18.03.2019 (Anlage B 1, AB) forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr bis zum 29.03.2019 die Durchführung von Nachbesserungsarbeiten zu ermöglichen und dazu bis zum 22.03.2019 einen Termin aufzugeben. Außerdem forderte sie die Beklagte zur Abnahme bis zum 29.03.2019 auf.
Mit Schriftsatz vom 19.09.2019 (Bl. 125 d. A.) erklärte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in ihrem Namen den Rücktritt vom Vertrag. Die Klägerin beanstandete das Fehlen einer Vollmacht.
Die Klägerin hat beha...