BGH zu Mängeln beim Hausbau: Minderung und Kostenvorschuss

Bei baulichen Mängeln an seinem Haus kann der Besteller nachträglich entscheiden, selbst zu reparieren – und dafür Kostenvorschuss verlangen. Eine erklärte Minderung der Vergütung für ein mangelhaftes Werk schließt den Wechsel nicht aus, hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

In einer Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass im Werkvertragsrecht bei Mängeln des Werkes unterschiedliche Rechte des Bestellers nebeneinander stehen können.

Allerdings schließt eine Minderung eine spätere Geltendmachung des großen Schadenersatzes verbunden mit einer Rückabwicklung des Vertrages aus.

Werklohnkürzung wegen Schallschutzmängel

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Werkunternehmerin gerichtlich einen restlichen Vergütungsanspruch aus der Errichtung eines Hauses gegen die Beklagten geltend gemacht. Die von der Klägerin im Februar 2014 erstellte Schlussrechnung ergab zu ihren Gunsten die mit der Klage geltend gemachte restliche Werklohnforderung in Höhe von etwas mehr als 100.000 Euro.

Widerklagend forderten die Beklagten eine Teilrückzahlung der bereits geleisteten Vergütung in Höhe von knapp 100.000 Euro mit Blick auf eine von ihnen erklärte Minderung.

Berufungsverfahren: Widerklage auf Kostenvorschuss

Die Minderung der Vergütung hatten die Beklagten auf diverse Mängel beim Schallschutz gestützt. Das LG hatte die Widerklage mit der Begründung abgewiesen, die geltend gemachten Mängel hätten keinen Einfluss auf den Verkehrswert des Grundstücks. Das im Berufungsverfahren zuständige OLG wies die Beklagten darauf hin, an dieser Einschätzung des LG festhalten zu wollen.

Hierauf haben die Beklagten ihre Widerklage umgestellt und eine Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 20.000 Euro Kostenvorschuss für eine beabsichtigte Behebung der Mängel im Rahmen einer Selbstvornahme beantragt. Diesem Antrag gab das OLG mit geringen Abschlägen statt.

Minderung schließt Kostenvorschuss nicht aus

Die Revision gegen diese Entscheidung des OLG hatte beim BGH keinen Erfolg. Der BGH stellte klar, dass die Beklagten nicht daran gehindert waren, nach der zuvor erklärten Minderung gemäß § 634 Nr. 3 BGB einen Kostenvorschuss für eine Behebung der aufgetretenen Schallschutzmängel geltend zu machen. Dieser Anspruch auf Kostenvorschuss folge aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, Abs. 3 BGB.

Mängelbeseitigung: unzumutbarer Aufwand?

Die Befugnis des Bestellers zur Selbstvornahme und dementsprechend der Anspruch auf Kostenvorschuss ist nach der Entscheidung des Senats nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 637 Abs. 1 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Unternehmer wegen unverhältnismäßiger Aufwendungen zu Recht eine Nacherfüllung verweigert.

Die Beseitigung der geltend gemachten Schallschutzmängel – Lüfter, Abwasseranlage und Trittschall – erfordere im konkreten Fall keinen unverhältnismäßigen Aufwand, sodass nach dieser Vorschrift ein Ausschluss des Anspruchs auf Kostenvorschuss nicht Betracht komme.

Kein Ausschluss anderer Mängelrechte bei Minderung

Etwas anderes folgt nach der Entscheidung des BGH auch nicht aus der zuvor seitens der Beklagten erklärten Minderung der Vergütung. Eine gesetzliche Regelung, wonach die Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruches nach Erklärung der Minderung ausgeschlossen sei, existiere nicht. Schon deshalb sei entsprechend dem Gesetzeswortlaut davon auszugehen, dass diese Rechte nebeneinander bestehen können.

Großer Schadenersatz schließt andere Mängelrechte aus

Dieses Ergebnis entspricht nach Auffassung des Senats auch der gesetzgeberischen Absicht. Der Gesetzgeber habe lediglich für den Fall der Geltendmachung des großen Schadenersatzes – also der Rückabwicklung des Vertrages statt der Inanspruchnahme der Werkleistung durch den Besteller – in § 634 Nr. 4 BGB ausdrücklich geregelt, dass der Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 1 BGB ausgeschlossen ist.

Diese Regelung diene dem Schutz des Unternehmers. Dieser müsse aus dem Gesichtspunkt der Planbarkeit Gewissheit darüber erlangen, ob der Besteller an dem geschlossenen Vertrag und den darin vereinbarten Leistungen festhält und Nacherfüllung verlangt oder ob er sich auf eine Rückabwicklung, gegebenenfalls verbunden mit der Forderung auf Schadenersatz, einstellen muss (BGH, Urteil v. 19.1.2017, VII ZR 235/15).

Flexibles Nebeneinander diverser Mängelrechte

Der für den speziellen Fall des Rücktritts vom Vertrag und des damit verbundenen großen Schadenersatzes geregelte Ausschluss des Nacherfüllungsanspruches spricht laut BGH-Entscheidung im Umkehrschluss dafür, dass der Gesetzgeber die Geltendmachung anderer Mängelrechte flexibler handhaben und keine Ausschließlichkeit vorsehen wollte.

Es sei auch kein schützenswertes Interesse des Unternehmers erkennbar, nach einer einmal erklärten Minderung der Vergütung, nicht mehr auf Ersatz der Kosten einer Mängelbeseitigung in Anspruch genommen werden zu können.

Anspruch auf Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses

Dieses Ergebnis folgt nach Auffassung des Senats auch aus dem einer Minderung immanenten Erklärungswert. Mit Erklärung der Minderung bringe der Besteller zum Ausdruck, dass er grundsätzlich an dem Werkvertrag festhalten wolle, aber einen finanziellen Ausgleich für die Schlechtleistung verlange (BGH, Urteil v. 22.2.2018, VIIZR 46/17).

Der dem Besteller zustehende Anspruch auf umfassenden Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses sei aber nur gewährleistet, wenn der Besteller auch nach Erklärung einer Minderung weiterhin einen Kostenvorschuss im Rahmen der Durchführung einer Selbstvornahme verlangen könne. Die verschiedenen Mängelrechte schließen sich nach der Entscheidung des BGH nicht aus, sondern ergänzen sich.

Minderung schränkt Dispositionsfreiheit nicht ein

Aus diesen Erwägungen folgt nach der Logik des BGH die grundsätzliche Dispositionsfreiheit des Bestellers, nach Erklärung einer Minderung zu einem späteren Zeitpunkt den Mangel zu beseitigen und zur Finanzierung der damit verbundenen Aufwendungen einen Kostenvorschussanspruch geltend zu machen.

Revision zurückgewiesen

Im Ergebnis hatte die Revision der Klägerin gegen das der Widerklage im Wesentlichen stattgebende vorinstanzliche Urteil keinen Erfolg und wurde vom BGH zurückgewiesen.

(BGH, Urteil v. 22.8.2024, VII ZR 68/22)


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