Leitsatz (amtlich)
Ist in einem notariellen Kaufvertrag geregelt, daß der Käufer bis zum Zeitpunkt des Besitzübergangs „entstehende” Erschließungsbeiträge zu tragen hat, ist dies dahin auszulegen, daß er die Kosten für den bis zum Besitzübergang tatsächlich angefallenen Erschließungsaufwand tragen soll.
Orientierungssatz
Bis zum Besitzübergang „entstehende” Erschließungsbeiträge.
Normenkette
BauGB § 133 Abs. 2, § 127; BGB §§ 133, 157
Beteiligte
Rechtsanwälte Jensen und Dietz |
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 3 O 346/99) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 28. Januar 2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg (3 O 346/99) geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.400,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. September 1999 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Beklagten beträgt 10.400,00 DM.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Kläger vermag von der Beklagten Zahlung von 10.400,00 DM zu beanspruchen. Rechtsgrundlage dieses Anspruches ist § 6 des zwischen den Parteien geschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrages vom 8. Juni 1996.
Aus der Auslegung des § 6 des Kaufvertrages folgt – worüber zwischen den Parteien auch kein Streit besteht – ein Anspruch des Klägers auf Ersatz im Außenverhältnis an die Stadt Dortmund gezahlter Erschließungsbeiträge, soweit die Beklagte aufgrund der Regelung des § 6 im Innenverhältnis der Parteien zur Tragung dieser Beiträge verpflichtet ist.
Der Kläger vermag aufgrund des § 6 des Kaufvertrages von dem unstreitig an die Stadt Dortmund gezahlten Erschließungsbeitrag in Höhe von 11.047,52 DM einen Betrag von 10.400,00 DM von der Beklagten erstattet zu verlangen. Bereits der durch normative Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermittelnde objektive Erklärungswert der Parteierklärungen führt entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts zu dem Ergebnis, dass die Beklagte die Kosten für den bis zum Besitzübergang am 16.08.1996 tatsächlich angefallenen Erschließungsaufwand tragen sollte.
Zwar läßt der Wortlaut des § 6 des Kaufvertrages, der auf bis zum Zeitpunkt des Besitzübergangs „entstandene” Erschließungsbeiträge abstellt, auch eine verwaltungsrechtliche Interpretation des Begriffs der „Entstehung” im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB zu. Ebenso läßt der Wortlaut des § 6 indes eine dahingehende Auslegung zu, dass an den durch die tatsächliche Durchführung von Erschließungsarbeiten im Zeitpunkt des Besitzüberganges bereits entstandenen Erschließungsaufwand angeknüpft werden sollte. Somit erlaubt der Wortlaut des § 6 kein eindeutiges Auslegungsergebnis. Soweit die Beklagte zur Stützung ihrer verwaltungsrechtlichen Interpretation auf die Entscheidung LG Hamburg MDR 1987, 140 abhebt, vermag der Senat dem nicht zu folgen, da sich der veröffentlichten Entscheidung bereits nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen läßt, wie die in diesem Verfahren auszulegende kaufvertragliche Bestimmung genau lautete. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten hält sich der Wortlaut von § 6 auch nicht an einschlägige Formulierungen in der höchstrichterlichen zivilrechtlichen Rechtsprechung. Der Bundesgerichtshof hatte in der von der Beklagten angezogenen Entscheidung DNotZ 1976, 360 einen notariellen Kaufvertrag zu beurteilen, der gerade keine spezielle Regelung über die Tragung von Anliegerbeiträgen enthielt, sondern sich – ähnlich wie § 4 des hier in Rede stehenden Vertrags – lediglich über den Übergang öffentlicher Lasten auf den Käufer im Zusammenhang mit der Übergabe des Grundstücks verhielt.
Demgegenüber führt die systematische Interpretation des Vertragswerks zu dem Ergebnis, dass die Beklagte die Kosten für den bis zum Besitzübergang tatsächlich angefallenen Erschließungsaufwand tragen sollte. Der einleitende Hinweis in § 6 des Kaufvertrages auf § 127 BauGB („Erschließungsbeiträge nach § 127 BauGB”) diente ersichtlich dem Zweck, den Begriff der „Erschließungsbeiträge” zu definieren. Weitergehende Bezugnahmen auf öffentlich-rechtliche Vorschriften des Baugesetzbuches, die für ein verwaltungsrechtliches Verständnis der „entstandenen” Erschließungsbeiträge sprechen könnte, enthält der Kaufvertrag demgegenüber gerade nicht. Demgegenüber spricht bereits der Aufbau des § 6 dafür, dass die Beklagte mit den Kosten für den bis zum Besitzübergang tatsächlich entstandenen Erschließungsaufwand belastet werden sollte, findet sich doch in § 6 zunächst eine Regelung über die vom Verkäufer zu zahlenden Beiträge. Bereits die Benennung der Beklagten an erster Stelle zeigt, dass die Parteien auch von einer tatsächlichen anteiligen Kostenlast der Beklagten ausgegangen sind, zumal ihnen bei Abschluß des Kaufvertrages klar war, dass ein wesentlicher Teil des Erschließungsaufwandes in Gestalt der Straße zu diesem Zeitpunkt bereits angefallen war.
Überdies führt auch die tele...