Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobe Fahrlässigkeit beim Überholen trotz Gegenverkehrs
Leitsatz (amtlich)
1. Eine gegen Entgelt vereinbarte mietvertragliche Haftungsreduzierung im Rahmen eines Kfz-Mietvertrages hat sich an dem weiterhin existierenden Leitbild der Kaskoversicherung zu orientieren.
2. Die Verletzung der vertraglich vereinbarten Verpflichtung zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Meldung eines Schadensfalles durch den Mieter führt entsprechend § 7 Abs. 5 Nr. 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG a.F. zur Leistungsfreiheit des rechtlich als Versicherer zu behandelnden Vermieters und damit zum Wegfall der Haftungsreduzierung.
Normenkette
AKB § 7 Abs. 5 Nr. 4; VVG a.F. § 6 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 08.09.2006; Aktenzeichen 11 O 181/06) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.9.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % der aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Beträge abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % der jeweils zu vollstreckenden Beträge leistet.
Gründe
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Die Klägerin, ein bundesweit tätiger gewerblicher Autovermieter, nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz wegen der Beschädigung eines ihrer Mietfahrzeuge in Anspruch.
Die Beklagte zu 2. mietete bei der Klägerin für die Zeit vom 8. bis 15.8.2005 einen Porsche 911, berechtigter Fahrer sollte der Beklagte zu 1. sein. Vereinbart war unter anderem eine Haftungsreduzierung für alle Schäden an dem Fahrzeug auf 950 EUR, zugrunde lagen die Mietvertragsbedingungen der Klägerin Stand 1.2.2005 (Bl. 20/21 d.A.). Am 14.8.2005 waren die Beklagten - der Beklagte zu 1. als Fahrer, die Beklagte zu 2. als Beifahrerin - auf dem Weg von F nach G. Im Zuge der Bundesstraße Z zwischen F und P überholte der Beklagte zu 1. - die Einzelheiten sind streitig - am sog. A-Berg (berganfahrend) aus einer Kolonne heraus jedenfalls zwei Fahrzeuge. Aus Richtung P kamen dem Beklagten zu 1. dabei mehrere Fahrzeuge entgegen, an erster Stelle das von dem Zeugen B geführte Fahrzeug, dahinter das des Zeugen C. Angesichts des überholenden Fahrzeuges des Beklagten zu 1. bremste der Zeuge B das von ihm geführte Fahrzeugs ab, der Zeuge C bremste ebenfalls. Das Fahrzeug des Zeugen C geriet ins Schleudern, kam auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit dem vom Beklagten zu 1. gelenkten Porsche. Die Einzelheiten des Unfallherganges waren erstinstanzlich und sind auch in der Berufungsinstanz streitig.
Bei der Kollision erlitt das Mietfahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden, die Gesamtschadenshöhe mit 49.484,18 EUR - wobei die Klägerin den reinen Fahrzeugschaden in gewillkürter Prozessstandschaft für die Y GmbH & Co. KG als Leasinggeberin geltend macht - ist unstreitig.
Nach dem Unfall wurde der Klägerin ein von beiden Beklagten unterschriebener Unfallbericht (Bl. 22 d.A.) per Telefax übersandt, in dem es zum Unfallhergang heißt: "Ich fuhr auf der rechten Straßenseite... in Richtung P. Ein mir entgegenkommender Pkw ist mir in die linke Seite meines Fahrzeuges gefahren."
Die Klägerin war und ist der Auffassung, die Beklagten seien ihr zum Schadensersatz in voller Höhe verpflichtet. Die vertraglich vereinbarte Haftungsreduzierung auf 950 EUR greife nicht. Der Beklagte zu 1. habe den Unfall grob fahrlässig verursacht, die Beklagte zu 2. darüber hinaus ihre Verpflichtung zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Schilderung des Unfallherganges verletzt.
Das LG hat der auf Zahlung von 49.484,18 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.2.2006 sowie Freihaltung der Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 725,40 EUR gerichteten Klage vollen Umfanges stattgegeben. Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen B sowie des Zeugen C stehe fest, dass der Beklagte zu 1. den Unfall jedenfalls fahrlässig verursacht habe, weil er durch sein Überholmanöver den Gegenverkehr gefährdet habe. Die Beklagte zu 2. sei ihrer mietvertraglichen Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Rückgabe des Fahrzeuges nicht nachgekommen, von daher hafte sie auf Schadensersatz (§§ 280, 283 BGB). Beide Beklagte könnten sich auf die vereinbarte Haftungsreduzierung nicht berufen. Denn die Beklagte zu 2. habe schuldhaft die Klägerin nicht vollständig und wahrheitsgemäß über den Unfallhergang informiert, infolge dessen könne sich auch der Beklagte zu 1. nicht auf die Haftungsreduzierung berufen, so dass es auf die Frage einer grob fahrlässigen Unfallverursachung nicht ankomme.
Die Beklagten, die mit ihrer Berufung auf Änderung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage antragen, während die Klägerin Zurückweisung der Berufung beantragt, rügen insbesondere, das LG habe verkannt, dass eine...