Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislastumkehr bei Tierarzthaftung
Leitsatz (amtlich)
Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehler und Befunderhebungsfehler anlässlich der tierärztlichen Betreuung eines Tierbestandes.
Normenkette
BGB §§ 280-281, 823
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 13.04.2007; Aktenzeichen 5 O 65/03) |
Tenor
Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen und Abweisung der Klage im Hinblick auf den weitergehenden Berufungsantrag wird das am 13.4.2007 verkündete Grund- und Teilurteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LGs Lübeck geändert:
Es wird festgestellt, dass die Klage hinsichtlich des Klageantrags auf Schadensersatz wegen eines tierärztlichen Behandlungsfehlers dem Grunde nach gerechtfertigt und im Hinblick auf den Primärschaden kein Mitverschulden des Klägers zu berücksichtigen ist.
Es wird festgestellt, dass dem Kläger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Tierarztes... eine Insolvenzforderung nach tierärztlichem Behandlungsfehler in Form des Schadensersatzes in Höhe von EUR 24.268,34 zusteht.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Rev. wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, Landwirt und Schweinehalter, macht wegen behaupteter Erkrankungen und Reproduktionsstörungen in seinem Tierbestand Schadensersatzansprüche geltend. Der Kläger hatte Anfang 1991 einen Vermehrervertrag (Hybridsauen) mit der Fa.A. geschlossen (Bl. 59 ff d.A.), der den Kläger ua. zur Durchführung eines Impfprogramms und zum Abschluss eines Betreuungsvertrages mit einem Tierarzt verpflichtete. Es kam zum Kontakt des Klägers mit dem Insolvenzschuldner, der den Schweinebestand des Klägers (Zuchtsauenvermehrung und Mastschweinplätze) unter Berücksichtigung der Vorgaben der von der Fa.A. beauftragten Tierarztpraxis Dr. X. von 1991 bis zum 27.1.1998 betreut hat, ohne dass insoweit zwischen dem Kläger und dem Insolvenzschuldner ein schriftlicher Vertrag geschlossen worden ist.
Im März/April 1996 ergaben Untersuchungen (vgl. Untersuchungsbericht vom 26.3.1996, Anl. B 3), dass die Krankheit PRRS (Porcine Reproducive and Respiratory Syndrom Virus) im Bestand vorhanden war (vgl. den Ber. der Praxis Dr. X. vom 03.4. 1996, Anl. B 2: PRRS u.E. coli/Streptokokken positiv). Das intrauterin auch auf die Ferkel übertragene PRRS-Virus führt gehäuft zu Spätaborten sowie totgeborenen bzw. lebensschwachen Ferkeln. Ein Impfstoff gegen PRRS stand für Mastschweine ab April 1996, für Zucht- und Jungsauen erst ab 1999 (vgl. den Aufsatz ...) zur Verfügung.
Ab Mai 1996 gliederte der Kläger eine Herde von 70 Sauen aus einem anderen Betrieb (White-Large Herde) in seinen Bestand ein. Dies war zunächst von den Tierärzten der Fa. A kritisch kommentiert worden (vgl. Schreiben der Tierärzte Dr. X. vom 03.4. 1996, B 9). Am 23.4. 1996 kam es zum Thema "Aufnahme der LW-Herde von W. (Veterinär-Aspekte)" zu einer Bespr. beim Kläger, an der neben dem Insolvenzschuldner der Tierarzt Dr. M. und die Mitarbeiter J. und B. der Firma A. teilnahmen; hierzu liegt ein Ergebnisprotokoll der Firma A. vor (Bl. 96 f. d.A.).
Eine über die Medikamentenabgabebelege (vgl. Aufträge zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln, Anlagenkonvolut B 15) und seine Rechnungen (Anlagenkonvolut B 16) hinausgehende Dokumentation des Insolvenzschuldners zum Behandlungsgeschehen liegt nicht vor. Der Insolvenzschuldner hat eine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten.
Unter dem 01.7.1999 erstattete Prof. Dr ... für den Kläger ein Privatgutachten zu Behandlungsfehlern des Insolvenzschuldners (Bl. 8 ff d.A.), das er unter dem 20.2.2001 ergänzte (Bl. 64 ff d.A.). Der Insolvenzschuldner ließ von Dr. Z. unter dem 25.3.2000 ein Privatgutachten zum Haftungsgrund anfertigen (AB B 10). Ein Gutachten zum wirtschaftlichen Schaden erstattete Dr. Y. im Auftrag des Klägers unter dem 27.1.2000 (nach Bl. 17 d.A.), das er unter dem 12.9.2002 ergänzte (Bl. 370 ff d.A.). Der Kläger hat am 21.9.2000 gegen den Insolvenzschuldner Klage auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. DM 506.916,00 wegen der Gewinnminderung in den Wirtschaftsjahren 1995/1996 - 1997/1998 erhoben. Seinen Antrag hat der Kläger im Termin vom 16.8.2006 (Bl. 763 d.A., vgl. Schriftsatz vom 16.9.2005, Bl. 615 ff, 619 d.A. u. Schriftsatz vom 21.12.2005, Bl. 650 f. d.A.) erweitert auf Zahlung von EUR 497.925,09 nebst Zinsen sowie Feststellung der Ersatzverpflichtung des Insolvenzschuldners für ab dem 01.10.2005 anfallende Pachtzinsen, für den entgangenen Gewinn wegen Wegfalls einer Bewirtschaftungsmöglichkeit von ("zur Abwendung einer Insolvenz" verkauften) Flächen einschließlich entgehender Förderprämien, die fehlende Möglichkeit zum Anschluss einer Dach-Photovoltaikanlage (vorläufig beziffert auf EUR 67.117,00) sowie im Hinblick auf weitere Schäden, die dem Kläger aus dem tierärztlichen Behandlungsfehler seit dem Wj. 1995/1996 noch entstehen werden. Er hat seine Ansprüche wie folgt aufgeschlüsselt (Bl. 610, 619 d.A.):
- unmittelbar entgangener Gewinn durch Produktionseinbruch EUR 259.182,04
- Schaden durch Künd...