Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei der Beschädigung eines Taxis kann der Geschädigte grundsätzlich Ersatz der Mietkosten für ein Ersatzfahrzeug verlangen, wobei ersparte Aufwendungen in Höhe von 10 % der Netto-Mietkosten anzurechnen sind.
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Taxi durch einen Verkehrsunfall beschädigt, hat der Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich die erforderlichen Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs während der Reparaturzeit zu ersetzen. Der Geschädigte kann nur ausnahmsweise gemäß § 251 Abs. 2 S. 1 BGB auf den entgangenen Gewinn verwiesen werden, wenn die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs unverhältnismäßig sind.
2. Für die Beurteilung der Frage, wann die Kosten für die Anmietung eines Ersatztaxis unverhältnismäßig sind, kommt es auf eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles an. Dazu gehört auch das Verhältnis zwischen den Netto-Mietfahrzeugkosten und dem mit dem Ersatzfahrzeug erwirtschafteten Gewinn, wobei eine starre Höchstgrenze insoweit nicht besteht.
3. Im Rahmen des Schadensersatzes für die Anmietung eines Ersatztaxis hat sich der Geschädigte ersparte Eigenaufwendungen anrechnen zu lassen, die bei einem durchschnittlich genutzten Taxi im Ein-Schicht-Betrieb gemäß § 287 ZPO mit 10 % der Netto-Mietkosten anzusetzen sind.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1, § 251 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 08.09.2023; Aktenzeichen 4 O 177/23) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 08.09.2023, Az. 4 O 177/23, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.903,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2021 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin zu Händen der Rechtsanwälte X vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 599,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.02.2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben die Klägerin 13 % und die Beklagte 87 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall aus abgetretenem Recht über die (restlichen) Mietfahrzeugkosten für ein Taxi.
Der Zedent war zum Unfallzeitpunkt Taxiunternehmer. Am 17.09.2021 erlitt er mit dem Taxi mit dem amtlichen Kennzeichen X einen Verkehrsunfall unter Beteiligung eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs. Die alleinige Haftung der Beklagten ist unstreitig. Das beschädigte Taxi wurde im Zeitraum vom 17.09.2021 bis zum 14.10.2021 repariert. In dieser Zeit mietete der Zedent bei der Klägerin ein Ersatzfahrzeug zum Preis von insgesamt 7.315,20 EUR netto an. Seine Ansprüche auf Ersatz dieser Kosten trat er an die Klägerin ab. Der Zedent erzielte während der Mietdauer mit dem Ersatzfahrzeug Umsätze in Höhe von 7.704,46 EUR. Die Einzelheiten sind streitig.
Die Klägerin hat behauptet, der Zedent sei Einzelunternehmer mit zwei Taxen. Er habe ca. 70 % Stammkundschaft. Das andere Taxi (amtliches Kennzeichen X) sei während der Mietzeit des Ersatzfahrzeugs anderweitig ausgelastet gewesen. Sie hat gemeint, ersparte Aufwendungen seien nur im kleinen einstellen Bereich anzusetzen, und hierzu behauptet, diese seien bereits in der rabattierten Rechnung berücksichtigt worden.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.635,20 nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.12.2021 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu Händen der Rechtsanwälte X vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 599,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.02.2022 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, die Klägerin müsse sich ersparte Aufwendungen des Zedenten für das beschädigte Fahrzeug während der Reparaturdauer in Höhe von 25 % der Mietkosten anrechnen lassen. Die Kosten für die Anmietung des Ersatztaxis stünden zudem außer Verhältnis zu dem in dieser Zeit erzielten Gewinn. Dabei seien u.a. Lohnkosten in Höhe von pauschal 50 % zu berücksichtigen. Mit den gezahlten 1.680,00 EUR sei der diesbezügliche Schaden ausgeglichen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Geschädigten stehe grundsätzlich ein Anspruch auf Naturalrestitution zu, so dass er in der Regel ein Ersatzfahrzeug anmieten könne. Die Grenze bilde allerdings § 251 Abs. 2 BGB, wonach der Geschädigte auf Ersatz des entgangenen Gewinns zu verweisen sei, wenn die durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs entstehenden Kosten unverhältnismäßig seien. Bei der Anmietung eines Taxis bedürfe es einer Gesamtbetrachtung alles Umstände des konkreten Einzelfalls. Dabei seien neben den Kosten auch das Interesse des Geschädigten an einer Fortführung seines Betriebes zu ...