Leitsatz (amtlich)
1. Wenn nach § 21 Abs. 2 VRB (hier Fassung 1994) im so bezeichneten Verkehrs-Rechtsschutz Versicherungsschutz ferner "hinsichtlich aller später während der Vertragsdauer auf den Versicherungsnehmer zugelassenen Fahrzeuge" besteht, so erstreckt sich die damit versprochene Deckung - wie in § 21 Abs. 1 VRB für das Erstfahrzeug - in Ansehung eines Ersatzfahrzeugs lediglich auf Rechtsschutzfälle aus Ereignissen, die dem Versicherungsnehmer als Eigentümer, Halter, Fahrer oder Insasse eines auf ihn zugelassenen Fahrzeugs widerfahren, nicht aber auf Fälle, die ihn (wie bei der hier beabsichtigten "Diesel-Klage") in seiner Eigenschaft als Erwerber eines erst noch zuzulassenden Fahrzeugs betreffen (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 6. Februar 2024, 11 U 93/23 [unveröffentlicht]; entgegen OLG Hamm, Urteil vom 5. Mai 2023, 20 U 144/22, VersR 2023, 1290).
2. Dem Versicherer ist die Berufung auf die mangelnde Deckung für den Streit aus einem Erwerbsfall nicht gemäß § 242 BGB deswegen versagt, weil er die Deckungsablehnung vorprozessual nur mit fehlenden Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung begründet und auf die Möglichkeit verwiesen hatte, auf seine Kosten einen Stichentscheid zu beauftragen.
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 20.12.2023; Aktenzeichen 3 O 101/23) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 20. Dezember 2023 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Deckung für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung ihrer Interessen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines PKWs.
Die Klägerin unterhält bei der A. Versicherung AG seit dem März 1997 eine Verkehrs-Rechtsschutzversicherung für die "private Nutzung 1 PKW" (Versicherungsschein Anlage K 9, Bl. 168 Anlagen Klägerin) unter Einbeziehung der VRB 1994 (Anlage K 10, Bl. 170 Anlagen Klägerin). Deren § 21 Verkehrs-Rechtsschutz mit Vorsorgeversicherung und Personen-Verkehrsrechtsschutz bestimmt u.a.
(1) Versicherungsschutz besteht für den Versicherungsnehmer in seiner Eigenschaft als Eigentümer, Halter, Fahrer und Insasse aller bei Vertragsabschluss auf ihn zugelassenen und im Versicherungsschein genannten Fahrzeuge. Als auf den Versicherungsnehmer zugelassen gilt ein Fahrzeug, wenn auf seinen Namen ein Fahrzeugschein ausgestellt und ein amtliches Kennzeichen erteilt worden ist.
(2) Ferner besteht Versicherungsschutz hinsichtlich aller später während der Vertragsdauer auf ihn zugelassenen Fahrzeuge der im Versicherungsschein genannten Gruppe. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alle auf ihn zugelassenen Fahrzeuge einer Gruppe zum Versicherungsschutz anzumelden, wenn im Versicherungsschein ein Fahrzeug dieser Gruppe genannt ist. (...)
(3) Als Fahrzeuge einer Gruppe gelten jeweils:
- PKW, Kombis, zulassungspflichtige Krafträder und Wohnmobile;
- Anhänger und Wohnwagen;
- (fünf weitere Kategorien)
(6) Der Versicherungsschutz umfasst:
a) Schadensersatz-Rechtsschutz (§ 2 Nr. 1),
b) Vertrags-Rechtsschutz (§ 2 Nr. 2)
(...)
(8) Die Vorsorgeversicherung wird wirksam, wenn sich nach Vertragsabschluss die Gesamtzahl der auf den Versicherungsnehmer zugelassenen Fahrzeuge der Gruppe eines im Versicherungsschein genannten Fahrzeugs erhöht. Hinzukommende Fahrzeuge aus den ersten zwei Gruppen sind vom Zeitpunkt der Zulassung bis zum Ende des Versicherungsjahrs ohne Mehrbeitrag mitversichert. Bei den anderen Gruppen ist der anteilige Beitrag zum Ende des Versicherungsjahres nachzuentrichten. Wird ein Fahrzeug hinzuerworben, das in die Gruppe eines versicherten Fahrzeugs fällt, so besteht Versicherungsschutz auch für Rechtsschutzfälle, die im Zusammenhang mit dem Vertrag über den Erwerb stehen. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug zum gewerblichen Weiterverkauf erworben wird."
Am 6. November 2017 erwarb die Klägerin bei der Fa. E. für 29.900,- EUR einen gebrauchten Audi Q 5, Ez. September 2012, mit einer Laufleistung von 56.645 km. Das Fahrzeug ist mit einem EA 189-Diesel-Motor von Volkswagen ausgestattet und verfügt (seit dem Update von 2016) über ein sog. Thermofenster. Das Fahrzeug wurde neun Tage nach dem Erwerb - am 15. November 2017 - auf die Klägerin zugelassen (Bl. 74 eLGA; vgl. auch Anlage K 13, Bl. 130 eA).
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2022 (Anlage K 2, Bl. 19 Anlagen Klägerin) ließ die Klägerin durch die G. Rechtsanwälte Deckung für ein außergerichtliches und klageweises Vorgehen gegen Audi mit dem Ziel der Rückabwicklung beantragen, was vornehmlich mit dem Vorliegen eines sog. Thermofensters begrün...