Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtbetrachtung zwischen gesundheitsbedingt aufzugebenden und verwiesenen Beruf in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der abstrakten Verweisung in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist bei der Prüfung, ob die verwiesene Tätigkeit "der Lebensstellung" des Versicherten entspricht, eine Gesamtbetrachtung in Bezug auf das Ansehen des Berufes und den konkreten Verdienst anzustellen. Ist mit dem grundsätzlich höher angesehenen Beruf (hier: Selbständiger Hufbeschlagschmied) kein auskömmliches Einkommen zu erzielen, wohl aber mit dem verwiesenen Beruf (hier: Maschinenführer in der Landwirtschaft), ist der Versicherer leistungsfrei.
Normenkette
VVG § 172; BUZ § 2
Verfahrensgang
LG Flensburg (Urteil vom 23.03.2015; Aktenzeichen 4 O 303/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Flensburg vom 23.03.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend.
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten ab dem 01.05.1993 eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Nachtrag zum Versicherungsschein, Anlage K1, Blatt 9 ff., Versicherungsbedingungen als Anlage K2, Bl. 12 ff.).
In der Zeit von 1987 bis 1991 hatte der Kläger eine Ausbildung als Landmaschinenmechaniker absolviert. Danach spezialisierte er sich auf Metallbau mit einem Schwerpunkt Hufbeschlag und arbeitete in diesem Bereich von Juli 1994 bis Ende Dezember 2000. Vom 1.01.2001 bis 14.05.2001 absolvierte er einen ganztägigen Lehrgang zum Hufbeschlagschmied. In der Zeit vom 1.06.2003 bis zum 31.03.2009 war der Kläger als selbständiger Hufbeschlagschmied tätig. Der Kläger nahm im Jahr 2008 an einer Reha-Maßnahme teil, aus der er am 18.12.2008 als arbeitsfähig entlassen wurde. Vom 01.04.2009 bis zum 30.04.2015 arbeitet der Kläger in einer Biogasanlage, zunächst als Anlagenwart, ab 1.10.2011 als Maschinenführer. Diese Tätigkeit übte er vollschichtig aus. Seit dem 01.05.2015 ist er als Lagerist in einer Firma tätig, die Stalleinrichtungen verkauft.
Der Kläger hat behauptet, seine Tätigkeit als selbständiger Hufbeschlagschmied habe er ab dem 1.04.2009 noch als Nebengewerbe fortgesetzt. Der berufliche Wechsel zur Tätigkeit in der Biogasanlage zum damaligen Zeitpunkt sei leidensbedingt gewesen, da er an chronischen Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei durchlaufendem Bandscheibenvorfall, einem chronischen Impingement-Syndrom beider Schultergelenke, psychovegetativen Erschöpfungszeichen, einer Adipositas sowie einem Morbus Dupuytren der rechten Hand ersten bis zweiten Grades gelitten habe (Arztberichte als Anlagen K4 und K5, Bl. 17 ff.).
Der Kläger behauptet, dies habe die Aufgabe der Tätigkeit als Schmied erforderlich gemacht (im Einzelnen dazu Blatt 5 der Akte). Ab dem 1.07.2012 sei deshalb auch der ursprüngliche Beruf als Hufbeschlagschmied endgültig aufgegeben und das Gewerbe abgemeldet worden (Anlage K3, Bl. 16). Aufgrund der Erkrankung sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, die Tätigkeit überhaupt fortzusetzen. In seiner Tätigkeit als Hufschmied sei er jedenfalls seit Juli 2012 zu mindestens 50 % berufsunfähig. Er meint, auf eine andere Tätigkeit, insbesondere die Tätigkeit als Maschinenführer, könne er nicht verwiesen werden, weil das soziale Ansehen eines Anlagenwartes bzw. Maschinenführers ein gänzliches anderes sei, als das eines Hufbeschlagschmieds (im Einzelnen Blatt 110).
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 01.10.2013 bis zum 01.09.2014 den Betrag von 9.203,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 6.902,46 EUR seit dem 21.05.2014 sowie auf weiteren 2.300,82 EUR seit dem 01.07.2014 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.10.2014 bis längstens zum 30.04.2031, zahlbar vierteljährlich im Voraus, eine vierteljährliche Rente in Höhe von 2.300,82 EUR aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Nr... zu zahlen;
3. festzustellen, dass er ab dem 01.10.2013 von der Beitragszahlungspflicht für die Lebensversicherung mit dem Versicherungsschein Nr... und für die in diese eingeschlossene Berufsunfähigkeitszusatzversicherung befreit ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, es sei für die Frage der Berufsunfähigkeit auf den zuletzt ausgeübten Beruf abzustellen. Sie behauptet, eine Berufsunfähigkeit liege nicht vor, weil sich der Kläger seinerzeit nicht in ärztlicher Behandlung befunden habe. Auch sei er...