Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. September 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Die Beklagten haften unstreitig gesamtschuldnerisch für klägerische Ansprüche aus dem Verkehrsunfall, der sich am 3. Juli 2021 auf dem Rastplatz ..., ereignete.

Das Fahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen ... wurde durch das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ..., das die Beklagten zu 1) fuhr, beschädigt.

Zur Feststellung der Höhe des Schadens gab der Kläger ein Sachverständigengutachten bei der Firma E. in Auftrag. Das Gutachten vom 9. Juli 2021 (Anlage K1, Anlagenband) wies Reparaturkosten in Höhe von 10.669,60 EUR netto und eine Wertminderung in Höhe von 300 EUR aus. Der Sachverständige stellte dem Kläger für das Gutachten einen Betrag von 1.415,79 EUR brutto in Rechnung (Anlage K2, Anlagenband).

Die Beklagte zu 2) und der Kläger korrespondierten nach der Geltendmachung der Forderung vorgerichtlich u. a. über die Betroffenheit des Fahrzeugs von Vorschäden. Letztlich lehnte die Beklagte zu 2) eine Regulierung ab.

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug habe vor dem Unfall an der Anstoßstelle keine unreparierten Vorschäden aufgewiesen. Es sei vor dem Verkauf an ihn fachgerecht instandgesetzt worden.

Der Kläger hat die Nettoreparaturkosten von 10.669,60 Euro, die Unkostenpauschale in Höhe von 25 EUR, eine Wertminderung von 300 EUR, die Gutachterkosten von netto 1.137,04 Euro sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.054,10 EUR beansprucht.

Die Beklagten haben die Aktivlegitimation des Klägers im Hinblick auf eine Fahrzeugfinanzierung und zudem die Höhe des Anspruchs bestritten. Ihre Recherchen hätten ergeben, dass das Fahrzeug am 19.9.2017 einen Vorschaden erlitten habe, bei dem Reparaturkosten in Höhe von 9.875,48 EUR inklusive Umsatzsteuer kalkuliert worden seien. Das Fahrzeug sei am Heck, mithin in dem erneut betroffenen Bereich, beschädigt worden. Entweder habe das Fahrzeug zwei Vorschäden gehabt oder aber eine sach- und fachgerechte Instandsetzung des Vorschadens vom September 2017 sei nicht erfolgt.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung) der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe seine Aktivlegitimierung durch Vorlage des Original-Fahrzeugbriefs dargelegt. Der Anspruch bestehe auch in geltend gemachter Höhe, da das Fahrzeug nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nach fachgerechter Instandsetzung in repariertem Zustand an den Kläger übergeben worden sei. Dies folge aus den Angaben des Zeugen G., der auf die Beseitigung eines weiteren Vorschadens, einen hierdurch entstandenen Aufwand von 1.302,94 EUR netto und eine Ankaufuntersuchung verwiesen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgen die Beklagten das Ziel der vollständigen Klagabweisung weiter. Sie greifen im Wesentlichen die Beweiswürdigung des Landgerichts an. Der Zeuge G. habe keine eigenen Kenntnisse über die Beseitigung des Vorschadens aus dem Jahr 2017 gehabt. Er habe lediglich mitgeteilt, dass das Fahrzeug optisch unbeschädigt gewesen sei.

Der Kläger tritt der Berufung entgegen.

Wegen des Berufungsvorbringens im Einzelnen wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16. Juni 2023 hat der Kläger zum Sach- und Streitstand ergänzend ausgeführt.

II. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das angefochtene Urteil leidet an Rechtsfehlern. Die zugrunde liegenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG gegen die Beklagten. Denn ein unfallbedingter Schaden ist nicht in einer bestimmten Höhe sicher feststellbar. Das Fahrzeug des Klägers war von mindestens zwei erheblichen Vorschäden mit Schadensüberlagerungen betroffen. Die hiernach erforderliche Darlegung des Klägers zu der von ihm behaupteten vollständigen und fachgerechten Reparaturen der Vorschäden liegt jedenfalls in Bezug auf die Vorschädigung aus dem Jahr 2017 nicht in einem für die Schadensfeststellung ausreichendem Umfang vor.

Bei Vorschäden des Fahrzeugs kann der Geschädigte mit dem späteren Schadensereignis kompatible Schäden nur ersetzt verlangen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, dass diese bereits im Rahmen des Vorschadens entstanden sind. Dazu muss er den Umfang des Vorschadens und gegebenenfalls dessen Reparatur belegen, da sich der Ersatzanspruch lediglich auf den Ersatz derjenigen Kosten erstreckt, die zur Wiederherstellung ...

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