Entscheidungsstichwort (Thema)
Volle Haftung nach Vorfahrtsverletzung
Leitsatz (amtlich)
Bei einer Kollision zwischen einem vorfahrtsberechtigten Pkw und einem Radfahrer haftet der Radfahrer voll, wenn allein ein grober Vorfahrtsverstoß des Radfahrers feststeht, hingegen keine gefahrerhöhenden Umstände auf Seiten des Pkw-Fahrers.
Normenkette
StVG §§ 9, 18; BGB § 254; StVO § 8
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 13.11.2007; Aktenzeichen 12 O 255/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 13.11.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Kiel wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie Feststellung der umfassenden zukünftigen Ersatzpflicht aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 3.9.2005 gegen 11.00 Uhr in B, Einmündungsbereich Hstraße/E-Straße in Anspruch.
Der Kläger befuhr unmittelbar vor dem Unfall mit einem Fahrrad nebst Anhänger die untergeordnete E-Straße, er wollte nach links auf die bevorrechtigte Hstraße abbiegen. Der Beklagte befuhr als Fahrer des Pkw VW Golf, amtl. Kennzeichen .. .- aus Sicht des Klägers von links kommend - die Hstraße, in der im Bereich der Unfallstelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h gilt. Zur Kollision kam es, als der Kläger hinter einem aus der H-straße in die E-Straße einbiegenden Pkw in die Holstenstraße einfahren wollte. Die Einzelheiten sind streitig.
Infolge der Kollision wurden nicht nur das Fahrrad und der daran befestigte Anhänger beschädigt; auch der Kläger selbst erlitt Verletzungen, deren Umfang und insbesondere Folgen streitig sind. Das von dem Beklagten gefahrene Fahrzeug wurde im gesamten Frontbereich beschädigt.
Der Kläger hat materielle Schäden i.H.v. 5.697,52 EUR geltend gemacht, ein Schmerzensgeld von zumindest 15.000 EUR und die Feststellung der umfassenden zukünftigen Ersatzpflicht des Beklagten verlangt.
Das LG hat die Klage nach Anhörung der Parteien, Einholung eines schriftlichen unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. W und einer durch den Sachverständigen erfolgten Erläuterung seines Gutachtens abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nicht fest, dass der Beklagte mit einer höheren als der zulässigen Geschwindigkeit von 30 km/h gefahren sei. Hingegen stehe eine grobe Vorfahrtsverletzung seitens des Klägers fest, die bei der Abwägung gem. §§ 9 StVG, 254 BGB dazu führe, dass der Kläger im Ergebnis seinen Schaden alleine zu tragen habe.
Zweitinstanzlich behauptet der Kläger weiterhin, die von dem Beklagten gefahrene Geschwindigkeit sei deutlich höher als 30 km/h gewesen.
Der Kläger beantragt, unter Weiterverfolgung seiner erstinstanzlichen Anträge, das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.679,52 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei das Schmerzensgeld einen Betrag von mindestens 15.000 EUR nicht unterschreiten sollte; sowie festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger die ihm in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 3.9.2005 auf der Hstraße in B entstehenden Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der Beklagte trägt auf Zurückweisung der Berufung unter Verteidigung des angefochtenen Urteils an.
Der Senat hat ergänzend den Sachverständigen Dipl.-Ing. W zur Erläuterung seines Gutachtens - unter Berücksichtigung der Ausführungen des Privatgutachters des Klägers Dipl.-Ing. K - angehört. Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.7.2008 (Bl. 234-236 d.A.) verwiesen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet und mithin zurückzuweisen.
Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob das LG einen Verfahrensfehler in der Behandlung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz eingereichten Schriftsatzes des Klägers vom 9.11.2007, dem eine (weitere) Stellungnahme des Privatsachverständigen K beigefügt war, begangen hat. Das LG ist gem. § 296a ZPO verfahren und hat auch keinen Anlass gesehen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Wenngleich sich die hier vorliegende Konstellat...