Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgfaltsanforderungen bei anwaltlicher Beratung eines Unterhaltsverpflichteten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung eines Rechtsanwalts, einen Mandanten über die Möglichkeit einer zeitlichen Unterhaltsbegrenzung zu belehren, ist wegen der häufig wechselnden Rechtslage zum Unterhaltsrecht sorgfältig für den Zeitpunkt der Beratung zu bestimmen.
2. Ob eine entsprechende Pflichtverletzung kausal geworden ist, hängt wiederum entscheidend von der Rechtslage im zu beurteilenden Zeitraum ab.
Normenkette
BGB §§ 280, 1578 Abs. 1 S. 2 2. Hs. a.F.
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 04.04.2006; Aktenzeichen 6 O 416/04) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 4.4.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Lübeck wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollsteckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.640 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 124-131 d.A.) Bezug genommen. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten (Bl. 135a, 140 d.A.) und begründeten (Bl. 148 ff. d.A.) Berufung beantragt der Kläger, unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm - dem Kläger - den Schaden zu ersetzen, der dadurch entstehen wird, dass der Beklagte den nachehelichen Ehegattenunterhalt zugunsten seiner - des Klägers - geschiedenen Ehefrau, Frau A., nicht gem. § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB hat zeitlich begrenzen lassen.
Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf den geltend gemachten Schadensersatz. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags.
Selbst wenn der Beklagte seine anwaltlichen Pflichten dadurch verletzt hätte, dass er den Kläger - unstreitig - nicht auf die gesetzliche Regelung in § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB hingewiesen und dass er dem Kläger nicht empfohlen hat, im Rahmen der Vergleichsverhandlungen mit seiner damaligen Ehefrau auf eine zeitliche Unterhaltsbegrenzung i.S.d. § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB hinzuwirken. Durch entsprechende Pflichtverletzungen wäre dem Kläger zumindest kein Schaden entstanden. Ein Schaden wäre hierdurch nur verursacht worden, wenn der Kläger im Falle solcher Hinweise und Empfehlungen des Beklagten eine zeitliche Unterhaltsbegrenzung i.S.d. § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB erreicht hätte. Das hätte entweder vorausgesetzt, dass der Kläger und seine damalige Ehefrau in diesem Fall einen Vergleich mit entsprechendem Inhalt geschlossen hätten oder dass der Kläger ein Urteil mit einer zeitlichen Unterhaltsbegrenzung i.S.d. § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB erstritten hätte. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden.
Ein Unterhaltsvergleich mit einer zeitlichen Unterhaltsbegrenzung i.S.d. § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB wäre allenfalls zustande gekommen, wenn sich die damalige Ehefrau des Klägers darauf eingelassen hätte. Das behauptet nicht einmal der Kläger.
Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Kläger den Vergleich vom 22.2.2000 nicht geschlossen hätte, wenn er von dem Beklagten ordnungsgemäß über die Möglichkeit der Unterhaltsbegrenzung belehrt worden wäre. Der Beklagte hätte den Kläger dann pflichtgemäß darauf hinweisen müssen, dass eine Unterhaltsbegrenzung i.S.d. § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB nach der bis zum Vergleichsschluss veröffentlichten Rechtsprechung nur schwer zu erreichen war.
Über Urteile aus der Zeit danach - insbesondere die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin vom 5.12.2006 zitierten Urteile des OLG Düsseldorf vom 17.11.2005 (FamRZ 2006, 1040 - eine Entscheidung, die eine Fall betrifft, der wegen der bereits Jahre vor der Scheidung erfolgten "Entflechtung" der beiderseitigen Lebensverhältnisse der Eheleute nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist) und des BGH vom 12.4.2006 (FamRZ 2006, 1006 - eine Entscheidung, die einen Fall betrifft, der wegen der Kinderlosigkeit der Eheleute nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist) konnte der Beklagte damals naturgemäß noch nicht belehren.
Es war sehr zweifelhaft, ob der Kläger im Falle einer Ablehnung des Vergleichsvorschlags eine zeitliche Unterhaltsbegrenzung i.S.d. § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB hätte erreichen können. Voraussetzung dafür wäre gewesen, dass eine solche Begrenzung im Falle einer gerichtlichen Entscheidung erfolgt wäre. Dabei ist nicht maßgebend, wie das OLG Hamburg seinerzeit tatsächlich entschieden hätte, sondern wie es richtigerweise hätte entscheiden müssen (vgl. Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notar...