Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigentumsübergang. Mitbesitz. Eigentumsvermutung. Besitzschutzklage. Eigentum an KfZ bei Übergabe unter Einbehalt von Zweitschlüssel
Leitsatz (amtlich)
1. Überreicht ein Fahrzeugeigentümer das mit einer Schleife geschmückte KfZ unter Schlüsselübergabe einer dritten Person an deren Geburtstag mit dem Bemerken, damit könne sie nun fahren, behält er aber selbst einen Schlüsselsatz und auch den Fahrzeugbrief des weiterhin in seiner Garage geparkten KfZ, lässt sich ein Eigentumsübergang nach § 929 S. 1 BGB nicht feststellen. In der Regel führt schon das Behalten eines Fahrzeugzweitschlüssels zum Mitbesitz, der einem Eigentumsübergang nach dieser Norm entgegensteht.
2. Auch § 1006 Abs. 1 S. 1 bzw. § 1006 Abs. 2 BGB helfen in einem solchen Fall nicht weiter. Die Vermutung beruht auf der Annahme, dass der Besitzerwerb anlässlich einer Eigentumsübertragung stattgefunden hat. Liegt aber Mitbesitz vor, spricht die Vermutung gerade nicht für Alleineigentum und muss vielmehr derjenige, der Alleineigentum für sich in Anspruch nehmen will, die aus dem Mitbesitz sprechende Vermutung zugunsten des Mitbesitzers widerlegen.
3. Sind sowohl die Besitzschutzklage aus § 861 BGB als auch die Widerklage auf Rückgabe nach beendeter Leihe aus § 604 Abs. 3 BGB begründet und gleichzeitig entscheidungsreif, so wird die Klage trotz § 863 BGB zur Vermeidung widersprechender Verurteilungen entsprechend § 864 Abs. 2 BGB abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Normenkette
BGB §§ 861, 863-864, 929, 931, 1006, 604
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Aktenzeichen 3 O 457/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. September 2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Hilfswiderklage der Beklagten wird festgestellt, dass der Beklagten an dem PKW ..., amtliches Kennzeichen ... ein Recht zum unmittelbaren Besitz zusteht.
Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Herausgabe eines PKW ... - ein im Stil eines Oldtimers gebautes Sport-Cabrio ... - mit der Behauptung in Anspruch, die Beklagte habe ihm dieses Fahrzeug anlässlich seines 60. Geburtstages am 25. Dezember 2009 geschenkt. Die Beklagte behauptet dagegen, sie habe dem Kläger das streitgegenständliche, von ihr Ende 2009 neu erworbene Fahrzeug zu seinem Geburtstag lediglich mit einer Schleife geschmückt präsentiert, weil sie ihm die Nutzung dieses Autos habe schenken wollen. Sie habe das Leihverhältnis zwischenzeitlich aber beendet, weshalb das Fahrzeug zurückzugeben gewesen sei und sie es habe an sich nehmen können. Sie macht hilfsweise von ihrem Schenkungswiderrufsrecht nach § 530 BGB Gebrauch und macht insoweit geltend, der Kläger habe versucht, Teile der Einnahmen aus ihrem Restaurant ... zu unterschlagen und habe ihr die fraglichen über 4.000,00 € erst nach einer gewissen Zeit wieder zur Verfügung gestellt.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien erster Instanz und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Parteien persönlich angehört. Insoweit wird auf das Protokoll vom 28. Februar 2011, Bl. 75 - 78 d. A. Bezug genommen. Das Landgericht hat sodann Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 17. März 2011, Bl. 88 d. A., durch Vernehmung der Zeugen .... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird das Sitzungsprotokoll vom 9. August 2011, Bl. 109 - 120 d. A., Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil nach dem Hauptantrag des Klägers zur Herausgabe des fraglichen Fahrzeugs nebst Zulassungsbescheinigung verurteilt. Es hat ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 985 BGB würden vorliegen. Denn die Beklagte sei Besitzerin des Fahrzeuges und der Kläger sei Eigentümer, wobei sein Eigentum nach § 1006 Abs. 2 BGB vermutet werde. Der Kläger sei nämlich seit seinem 60. Geburtstag Besitzer des Fahrzeuges gewesen. Die Beklagte stelle dies nicht in Abrede, wenn sie behaupte, dem Kläger das Fahrzeug zur Nutzung überlassen zu haben. Sein Besitz ergebe sich auch daraus, dass der Wagen auf ihn zugelassen gewesen sei und bis zum 18. Oktober 2010 nur er mit diesem Wagen alleine gefahren sei, während die Beklagte das Auto lediglich gefahren sei, wenn der Kläger mit ihr im Auto gesessen habe. Aus dem Umstand, dass das Fahrzeug zunächst in einer Garage der Beklagten gestanden und diese jedenfalls einen Fahrzeugschlüssel besessen und sich in ihrem Tresor der Fahrzeugbrief befunden habe, ergebe sich nichts anders. Denn die Parteien seien seinerzeit noch miteinander liiert gewesen und in einer...