Entscheidungsstichwort (Thema)
Herstellerhaftung gemäß § 826 BGB für das Inverkehrbringen von Diesel-Kraftfahrzeugen mit unzulässiger Abschaltsoftware
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 15. April 2019, Az. 17 O 56/18, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 9.674,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Golf 6 Trendline mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... zu zahlen. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin als vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten einen Betrag in Höhe von EUR 808,19 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2018 zu zahlen, sowie die Klägerin von weiteren EUR 150,00 an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin freizuhalten.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des vorgenannten Fahrzeugs seit dem 22. Dezember 2017 in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten beider Rechtszüge tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten als Fahrzeugherstellerin Ersatzansprüche wegen des sogenannten "Abgasskandals" geltend.
Die Klägerin kaufte am 27. August 2009 einen VW Golf 6 Trendline 2,0 TDI bei der A.- GmbH in B. zu einem Preis von EUR 24.100,00. Bezüglich der Einzelheiten der Fahrzeugbestellung wird auf die Anlage K3 verwiesen. Das Fahrzeug wies zum Kaufzeitpunkt einen Kilometerstand von 7.000 auf. In dem Fahrzeug ist der Motor mit der Typenbezeichnung EA 189 verbaut. Dieser Motor war im Zeitpunkt des Kaufvertrags mit einer Software ausgestattet, welche einen Stickoxid-optimierten Betriebsmodus aufwies, der nur beim Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus' (NEFZ) aktiviert wurde. Bei normaler Fahrt im Straßenverkehr wurde ein anderer Betriebsmodus aktiviert, welcher eine geringere Abgasrückführungsrate und einen höheren Ausstoß an Stickoxid aufwies als der Modus für Prüfsituationen. Nach Installation des Software-Updates wird das Fahrzeug auch im Straßenverkehr in einem angepassten Modus mit erhöhter Abgasrückführung betrieben.
Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von einer Software betroffen ist, welche die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf optimiert und bat die Klägerin um Terminsvereinbarung zur Umsetzung der technischen Maßnahmen (vgl. Anlage K4). Die Klägerin ließ das von der Beklagten angebotene Software-Update am 13. Juli 2018 aufspielen, da ihr sonst eine Stilllegung des Fahrzeugs drohte.
Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14. November 2017 (Anlage K6) zur Erstattung des Kaufpreises abzüglich der gezogenen Nutzungen unter Fristsetzung bis zum 28. November 2017 auf. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 (Anlage K7) mit, dass sie eine Rücknahme des Fahrzeugs und Erstattung des Kaufpreises ablehne.
Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Lübeck am 25. Februar 2019 wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 173.106 km auf, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 7. Oktober 2019 eine Laufleistung von 182.375 Kilometern. Die Klägerin hat sich nicht der Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte vor dem Oberlandesgericht Braunschweig angeschlossen.
Die Klägerin hat behauptet, es sei ihr beim Kauf des Fahrzeugs gerade darauf angekommen, dass es ein besonders umweltfreundliches Auto sei. Sie hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn sie gewusst hätte, dass es mit einer Prüfstandoptimierungssoftware ausgestattet worden war. Seit dem Aufspielen des Updates sei der Motor lauter geworden. Zudem mache das Fahrzeug noch etwa 10 Minuten lang Geräusche, wenn man es nach einer Fahrt an sehr kalten Tagen bei etwa -5 Grad Celsius abstelle. Weitere Einschränkungen seien nicht gegeben.
Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, sie habe einen Anspruch auf Rückgabe des Fahrzeugs Zug-um-Zug gegen Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 12.099,90 errechnet zum km-Stand 153.600 und basierend auf einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 300.000 km. Zusätzlich stehe ihr ein Zinsanspruch in Höhe von 4 Prozent auf den Gesamtkaufpreis nach § 849 BGB seit dem Datum des Kaufvertrags zu, welchen sie bis zum 18. Januar 2018 mit EUR 8.120,21 beziffert.
Die Klägerin hat beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.203,61 Euro nebst Zinsen aus 12.083,40 Euro in Höhe von ...