Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsscheinhaftung bei Zeichnung einer ausländischen Firma ohne Formzusatz
Leitsatz (amtlich)
1. Ist bei einem Warenkauf das UN-Kaufrecht (CISG) maßgebend, sind die dort nicht geregelten Fragen der Stellvertretung nach dem kollisionsrechtlich berufenen nationalen Recht zu behandeln. Dieses - hier das deutsche Recht - beantwortet auch die Frage, nach welchem Recht sich eine persönliche Haftung bestimmt, wenn bei einer ausländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung der auf die Haftungsbeschränkung hinweisende Formzusatz nicht geführt wurde.
2. Weil ein dem deutschen Recht entsprechender, auf eine Haftungsbeschränkung hinweisender Firmenzusatz zwingend durch unmittelbar geltendes Europarecht vorgeschrieben ist, bestehen keine Bedenken, die Grundsätze der Rechtsscheinshaftung des für eine - hier französische - Kapitalgesellschaft auftretenden Vertreters anzuwenden, wenn er durch sein Zeichnen der Firma ohne Formzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat.
3. Für die Rechtsscheinshaftung darf der digitale E-Mail-Verkehr dem normalen Schriftverkehr nicht vollständig gleichgesetzt werden, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Vertragspartner dort nur die besonders einprägsamen Teile seiner Firma schlagwortartig benutzt.
Normenkette
EuGVVO Art. 23, 25; CISG § 53; BGB § 179
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 07.12.2007; Aktenzeichen 12 O 192/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 7.12.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Lübeck geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Bezahlung von vier Rechnungen vom 17.8.2005 und 31.10.2005 über insgesamt 40.688,42 EUR.
Aufgrund von E-Mail-Bestellungen vom 26.1.2005 bis 19.10.2005 belieferte die Klägerin die Firma P in verschiedenen Orten in Frankreich mit Ladeneinrichtungsgegenständen. Der als Inhaber und Besteller von der Klägerin in Anspruch genommene Beklagte beantwortete Mahnungen vom 25.11.2005 und 28.2.2006 nicht. Gegen den ihm am 24.5.2006 zugestellten Mahnbescheid legte er fristgemäß Widerspruch ein.
Im Juli 2006 verkaufte der Beklagte die Firma P ... S und legte sein Amt als Präsident der Gesellschaft nieder. Ein im schriftlichen Verfahren erlassenes Versäumnisurteil konnte dem Beklagten nicht zugestellt werden.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass der Beklagte zehn Märkte unter der Firma P in Frankreich betrieben habe. Er hafte jedenfalls kraft Rechtscheins persönlich, da sie keine Kenntnis von einem Rechtsformzusatz der Firma P gehabt habe.
Die Klägerin hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 13.11.2006 aufrecht zu erhalten, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an sie 40.688,42 EUR nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.12.2005 sowie 653,10 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise festzustellen, dass das Versäumnisurteil vom 13.11.2006 wirkungslos ist.
Der Beklagte hat unter Hinweis auf den Rechtsformzusatz der Firma P bestritten, dass er passivlegitimiert sei. Den beteiligten Personen bei der Klägerin sei bekannt gewesen, dass die Auftraggeberin eine Kapitalgesellschaft sei und dass er persönlich nicht hafte.
Das LG hat der Klage auf den Hilfsantrag der Klägerin stattgegeben und im Übrigen festgestellt, dass das Versäumnisurteil vom 13.11.2006 mangels Zustellung an den Beklagten keine Wirkung entfalten könne. Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird wegen der weiteren Einzelheiten, einschließlich der dortigen Verweisungen Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Beklagten.
Er trägt vor: In Deutschland fehle bereits die internationale Zuständigkeit, weil die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht in französischer Sprache abgefasst gewesen seien. Im Übrigen sei es nicht richtig, für das internationale Privatrecht die Anknüpfung bei dem deutschen Recht zu sehen. Denn der Rechtsschein sei in Frankreich gesetzt worden. Auch für die Rechtsscheinhaftung sei zunächst französisches Recht zu ermitteln. Die deutsche Rechtsprechung wegen der Fortlassung des Rechtsformzusatzes passe nicht. Der Beklagte habe aber auch keinen Rechtsschein gesetzt. Es fehle schon die Zuordnung der Rechnungen und Auftragsbestätigungen zu den einzelnen Bestellungen. Aus der beantragten Vorlage des Schriftverkehrs werde sich ergeben, dass der Klägerin die Existenz der Kapitalgesellschaft bekannt gewesen sei. Das werde auch aus der Steueridentifikationsnummer deutlich. Erstmals seien Bestellungen im Au...