Entscheidungsstichwort (Thema)
Angebot von Produkten dritter Versicherungsunternehmer durch gebundenen Versicherungsvermittler
Leitsatz (amtlich)
1. Die sog. Ventillösung, also die Befugnis des gebundenen Versicherungsvermittlers nach § 34d Abs. 4 GewO, Kunden auch Produkte dritter Versicherungsunternehmen anzubieten, die nicht zur Produktpalette des "Mutter-Versicherungs-Unternehmens" gehören, ist auch nach dem Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts (VVermNRG) vom 19.12.2006 nach wie vor möglich, ohne dass das dritte Versicherungsunternehmen den Versicherungsvermittler selbst zum Versicherungsvermittlerregister anmelden muss (§§ 80 Abs. 3 VAG, 34d Abs. 7 GewO).
2. Die Zusendung eines Versicherungsangebots auf telefonische Anfrage stellt grundsätzlich noch keinen "ersten Geschäftskontakt" i.S.v. § 11 VersVermV dar. In der Phase der Anbahnung eines Geschäftsabschlusses bedarf es nicht der förmlichen Erklärungen zur Person des Versicherungsvermittlers nach dieser Vorschrift.
Normenkette
VAG § 80 Abs. 3; GewO § 34d Abs. 4, 7; VersVermV § 11
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 22.12.2009) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen I des LG Lübeck vom 22.12.2009 wie folgt geändert:
Die einstweilige Verfügung vom 2.11.2009 wird aufgehoben und der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
Gründe
Die Berufung des Verfügungsbeklagten ist zulässig und begründet.
I. Die Verfügungsklägerin ist ein als Versicherungsmaklerin in das Versicherungsvermittlerregister eingetragenes Unternehmen, der Verfügungsbeklagte ist Inhaber einer Agentur (Vertrauensmann) des A Versicherung ... Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (im Folgenden: A), der ihn als gebundenen Versicherungsvertreter i.S.d. § 34d Abs. 4 GewO zum Versicherungsvermittlerregister angemeldet hat.
Auf eine telefonische Testanfrage, die unter dem Namen S und unter der Anschrift des Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin erfolgte, gab der Verfügungsbeklagte ein Angebot vom 28.9.2009 über eine Privathaftpflichtversicherung bei dem A und ein weiteres Angebot vom 29.9.2009 über eine Zusatzversicherung zur gesetzlichen Krankenversicherung bei der B Krankenversicherung AG (im Folgenden: B) ab.
Der A hat für Versicherungen, die er nicht selbst anbietet, Kooperationsabkommen mit anderen Versicherungen geschlossen (sog. Ventillösungen), u.a. für Krankenversicherungen mit der B. Seine Vertrauensleute sind angewiesen, derartige Versicherungen über die Firma C GmbH (im Folgenden: C), deren Gesellschafter mit 51 % der A und mit 49 % die B sind, an die jeweiligen Kooperationspartner weiterzuleiten.
Die Verfügungsklägerin behauptet, seit August 2009 als Versicherungsmaklerin aktiv zu sein und zwischenzeitlich ca. 65 - 70 Verträge vermittelt zu haben. Sie habe mit ihren Kunden die jeweiligen Maklerverträge geschlossen, die vermittelten Verträge aber nicht selbst bei dem jeweiligen Versicherungsunternehmen eingereicht, sondern an einen Hamburger Makler weitergeleitet.
Sie meint, es sei dem Verfügungsbeklagten nach Inkrafttreten des § 34d GewO zum 1.9.2009 untersagt, im Rahmen der "Ventillösungen" den Abschluss von Versicherungsverträgen bei solchen Unternehmen, die nicht zur Gruppe des A gehören, anzubieten oder zu vermitteln und mit anderen Versicherungsmaklern zusammenzuarbeiten. Vielmehr müsse nunmehr jedes Versicherungsunternehmen, für das der Versicherungsvermittler Verträge vermittle, diesen zum Register anmelden und für ihn die Haftungsübernahme erklären, was unstreitig durch die B nicht geschehen ist. Außerdem - so die Verfügungsklägerin - habe der Verfügungsbeklagte gegen § 11 Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) verstoßen, weil - was ebenfalls unstreitig ist - seine Angebote nicht alle gesetzlich aufgeführten Pflichtangaben enthalten hätten.
Antragsgemäß hat das LG mit Beschluss vom 2.11.2009 dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, hilfsweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft im geschäftlichen Verkehr untersagt,
1. den Abschluss von Versicherungsverträgen bei Versicherungsunternehmen, die nicht zu der A Versicherungsgruppe gehören, unmittelbar oder mittelbar anzubieten oder zu vermitteln, insb. Krankenversicherungen an und für die B,
2. mit anderen Versicherungsvertretern, die keine gebundenen Versicherungsvertreter der A Versicherungsgruppe i.S.d. § 34d Abs. 4 GewO sind, und/oder Versicherungsmaklern mittelbar oder unmittelbar zusammenzuarbeiten, insb. mit der Firma C,
3. möglichen Versicherungsnehmern beim ersten Geschäftskontakt, insb. im Zusammenhang mit schriftlichen Angeboten und/oder Angebots- und Informationsunterlagen keine schriftliche Erstinformation über seine Person und seinen beruflichen Stand nach § 11 der Versicherungsvermittlungsverordnung vom 15.5.2007 zur Verfügung zu stellen.
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