Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt: Begrenzung des Aufstockungsunterhalts bei langer Ehedauer

 

Leitsatz (amtlich)

Hat die Ehefrau wegen der Ehe ihre qualifizierte Berufstätigkeit aufgegeben und war während der Ehe zunächst überhaupt nicht und danach nur teilweise als ungelernte Arbeiterin beschäftigt, liegen fortwirkende ehebedingte Nachteile in der Erwerbsbiografie vor, die bei der Prüfung einer Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des nachehelichen Unterhalts gem. § 1578b BGB zu berücksichtigen sind. Ferner ist zu berücksichtigten, dass die Ehefrau während der Ehe das gemeinsame Kind versorgt und betreut hat. Auch der Umstand, dass die Ehefrau auf Grund ihres Alters ihre Berufstätigkeit nicht mehr ausweiten kann, ist zu berücksichtigen (Rz. 31). Außerdem muss die Ehedauer von 32 Jahren in die Gesamtabwägung einfließen (Rz. 32). Bei der gem. § 1578b BGB anzustellenden Billigkeitsabwägung kommt auch dem Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität eine nicht unerhebliche Bedeutung zu (Anschluss BGH, 27.5.2009 - XII ZR 111/08, NJW 2009, 2450) (Rz. 33). Daher erscheint eine Befristung bis zum Beginn des Rentenbezugs angemessen. Der Ehemann wird dann ca. 9 Jahre nachehelichen Unterhalt zahlen müssen, was bei einer Ehedauer von 32 Jahren und den erheblichen ehebedingten beruflichen Nachteilen für die Ehefrau nicht unangemessen ist (Rz. 34).

 

Normenkette

BGB § 1573 Abs. 2 Fassung: 2007-12-21, § 1578b Abs. 1 Fassung: 2007-12-21, Abs. 2 Fassung: 2007-12-21; ZPOEG § 36 Nrn. 1-2

 

Verfahrensgang

AG Pinneberg (Urteil vom 09.01.2009)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG - Familiengericht - Pinneberg vom 9.1.2009 teilweise geändert.

Das Urteil des AG - Familiengericht - Pinneberg vom 27.1.2005 (46 F 52/04) wird - über die Änderung durch das angefochtene Urteil hinaus - weiter dahin geändert, dass der Kläger an die Beklagte diese Beträge und die nachfolgenden Beträge bis zum 8.6.2014 zu zahlen hat:

ab 1.1.2010,

Elementarunterhalt: 180 EUR

Altersvorsorgeunterhalt: 20 EUR

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtzüge werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Fortfall, hilfsweise Befristung, von tituliertem nachehelichem Unterhalt aufgrund der Gesetzesänderung ab Januar 2008.

Die am ... geschlossene Ehe der Parteien ist seit dem ... rechtskräftig geschieden. Im Scheidungsverbund hat das Familiengericht den Kläger verurteilt, an die Beklagte nachehelichen Gesamtunterhalt von 843 EUR zu zahlen.

Aus der Ehe der Parteien ist ein 1974 geborener Sohn hervorgegangen, der ab 1990 nicht mehr zu betreuen war.

Der Kläger, geboren am ... war früher Polizeihauptkommissar. Seit 05/08 ist er in Pension. Nach den Feststellungen des Verbundurteils hat die am ... geborene Beklagte eine Ausbildung zur Musikinstrumentenkauffrau abgeschlossen und in diesem Beruf kurze Zeit bis zur Heirat im September 1972 gearbeitet. Danach arbeitete sie zunächst 3 Tage in der Woche als Bürokraft. Mit der Geburt des Kindes 1974 stellte sie diese Tätigkeit ein. Seit 1985 war die Beklagte im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als Packerin und Sortiererin tätig mit einem Einkommen zum Zeitpunkt der Scheidung von monatlich 400 EUR.

Zum Zeitpunkt des Scheidungsurteils war sie Alleineigentümerin eines Hauses. Im Rahmen des Verbundurteils vom 27.1.2005 hat das Familiengericht der Beklagten nachehelichen Unterhalt von 843 EUR zugesprochen. Auf Seiten der Beklagten hat das Familiengericht ein monatliches Einkommen von 400 EUR berücksichtigt und einen Nettowohnwert von 620,79 EUR. Ferner hat das Familiengericht festgestellt, dass der Beklagten wegen ihres Alters (damals 55 Jahre) eine Ausweitung ihrer Beschäftigung mit einem Einkommen von 400 EUR nicht zugemutet werden könne.

Zur Frage der Befristung (§ 1578 Abs. 1 BGB a.F.) enthält das Urteil keine Ausführungen.

Der Kläger begehrt mit der am 16.7.2008 zugestellten Klage die Feststellung des Fortfalles der Unterhaltsverpflichtung ab 1.5.2008, hilfsweise Begrenzung dieser Verpflichtung. Das Familiengericht hat der Klage unter Klagabweisung im Übrigen zu einem geringen Teil mit Rücksicht auf die verminderte Leistungsfähigkeit des Klägers aufgrund seiner Pensionseinkünfte stattgegeben und den titulierten Unterhalt mit Wirkung ab 1.5.2008 reduziert auf 792 EUR und ab 1.1.2009 auf 803 EUR.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der zulässigen Berufung.

Er macht geltend, wegen der geänderten Gesetzeslage ab Januar 2008 (§ 1578b BGB) sei der Fortfall des Unterhaltsanspruches auszusprechen. Auch nach 32 Jahren Ehedauer bestünde unterhaltsrechtlich keine unbegrenzte Lebensstandardgarantie mehr. Ehebedingte Nachteile durch die Ehe habe die Beklagte nicht erlitten. Im Übrigen sei die Beklagte gesund und könne eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen. Die Beklagte sei Eigentümerin eines Hauses und könne in diesem Haus eine Wohnung mit 400 EUR - 500 EUR monatlich netto vermieten. Die von der Bekla...

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