Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweisanzeichen für ein manipuliertes Unfallgeschehen: Persönliche Bekanntheit von Geschädigten und Unfallverursacher und einschlägige Vorerfahrungen des Schädigers auf dem Gebiet der Unfallmanipulation.
Leitsatz (amtlich)
1. Der Beklagte trägt die Beweislast für ein manipuliertes Unfallgeschehen und die Einwilligung durch den Kläger. Dieser Beweis kann durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung von Indiztatsachen erbracht werden, die in ihrer Gesamtschau auf eine Manipulation des Unfallgeschehens hindeuten.
2. Beweisanzeichen für ein manipuliertes Unfallgeschehen können sich aus dem Unfallhergang, der Art der Schäden, der Art der beteiligten Fahrzeuge, dem Anlass der Fahrt, fehlender Kompatibilität, den persönlichen Beziehungen oder wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien ergeben.
3. Ein Indiz ist die persönliche Bekanntheit von Geschädigten und Unfallverursacher. Auch wenn eine freundschaftliche Beziehung zwischen beiden nicht feststeht, lässt sich aus der Länge der Bekanntschaft und dem gegenseitigen Duzen auf eine Vertrautheit schließen, die für die Verabredung einer Unfallmanipulation genutzt werden konnte.
4. Weiteres Indiz sind unstreitige einschlägige Vorerfahrungen des Unfallverursachers auf dem Gebiet der Unfallmanipulation und entsprechende strafrechtliche Verurteilungen. Unerheblich ist, ob die entsprechenden Taten bereits nach § 45 BZRG im Strafregister getilgt sind (die entsprechend verbüßte Haftstrafe lag hier bereits 20 Jahre zurück).
5. Für eine Unfallmanipulation ist typisch, wenn die Unfalldarstellung des Schädigers mit dem Rekonstruktionsgutachten des Gerichtssachverständigen nicht in Einklang zu bringen ist (hier Widerspruch zu dem vom Sachverständigen rekonstruierten Anstoßwinkel).
6. Selbst bei einem wirtschaftlichen Totalschaden sind Umstände denkbar, die bei dem Geschädigten dennoch ein plausibles wirtschaftliches Motiv für eine bewusste Unfallmanipulation möglich erscheinen lassen (z.B. Billigreparatur im Ausland)
Normenkette
BGB § 249 ff., § 823 Abs. 1-2; BZRG §§ 45, 51; StVG § 7 Abs. 1, § 17; VVG § 115 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 11.06.2020; Aktenzeichen 6 O 229/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Juni 2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts K. wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.
Am 19. Januar 2018 stellte der Kläger den Porsche Panamera auf dem Betriebsgelände der Firma O. ab, deren Geschäftsführer er ist. Gegen 17:00 Uhr fuhr der Beklagte zu 1), der ein Transportunternehmen betreibt, mit einem seiner Lkw's (Iveco) auf das unbeleuchtete Betriebsgelände. Es kam hierbei aufgrund von in Einzelheiten streitigen Umständen beim Rückwärtsfahren des LKW zur Beschädigung des Porsches, der gegen einen auf der Beifahrerseite stehenden Müllcontainer gedrückt wurde.
Der Beklagte zu 1) ist vor etwa 20 Jahren im Zusammenhang mit Unfallmanipulationen (120 Taten) zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, von der er drei Jahre in einer Justizvollzugsanstalt verbüßte. Der Kläger und der Beklagte zu 1) waren bereits vor dem hier streitgegenständlichen Schadensereignis (seit dem Jahr 2005) miteinander bekannt. Das Fahrzeug des Klägers wurde im Jahr 2013 erstmals zugelassen und durch den Kläger am 1. Juli 2016 beim Porsche Zentrum Hamburg (mit zwölfmonatiger "Porsche Approved Gebrauchtwagengarantie-Versicherung") als gebrauchtes Fahrzeug (Kilometerstand 62.225 km) zum Preis von 55.000,00 EUR erworben. Zum Zeitpunkt des Schadensereignisses wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 74.985 km auf. Der Kläger hat das Fahrzeug inzwischen veräußert. Der LKW des Beklagten zu 1) wies zum Zeitpunkt des Schadensereignisses eine Laufleistung von 850.000 km auf. Der dem Kläger bekannte Sachverständige R. erstattete am 22. Januar 2018 ein Schadensgutachten, in dem er den Reparaturaufwand mittels Audatex-Kalkulation auf 42.929,75 EUR bezifferte.
Der Kläger nahm vorgerichtlich mit Anspruchsbezifferungsschreiben vom 26. Januar 2018 und Erinnerungsschreiben vom 19. Februar 2018 Kontakt zur Beklagten zu 2) auf. In dem Schreiben vom 26. Januar 2018 heißt es u. a.: "Unser Mandant hat das Fahrzeug bereits zum im Gutachten angegebenen Restwert verkauft."
Der Kläger hat behauptet, er habe das Fahrzeug am Schadenstag selbst auf dem Betriebsgelände geparkt. Es habe Schneefall und überfrierende Nässe gegeben. Er hat neben Sachverständigenkosten in Höhe von 2.749,79 EUR und der Schadenspauschale von 20,00 EUR den Wiederbeschaffungsaufwand a...