Leitsatz (amtlich)

Die Mitnahme eines Erntehelfers auf einem mit Strohballen beladenen Anhänger ist dann grob fahrlässig, wenn sich der Anhänger mit Ladegitter insgesamt in einem „maroden” Zustand befindet.

 

Orientierungssatz

Sturz von landwirtschaftlichem Anhänger als grob fahrlässig verursachter Arbeitsunfall.

 

Normenkette

RVO § 640

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 03.03.1999; Aktenzeichen 2 O 223/98)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 03.03.1999 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt 39.002,59 DM.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Ersatz von Aufwendungen gemäß § 640 RVO, die sie als Berufsgenossenschaft wegen eines Unfalls des für den landwirtschaftlichen Betrieb des Beklagten zu 1) tätig gewesenen und bei ihr versicherten G. erbracht hat.

Am 5. September 1996 transportierte der Beklagte zu 1) von seinem Feld Strohballen zu seinem Hof. Er benutzte dazu einen MB-Trac und zwei Anhänger mit Ladegitter, die er sich von dem Landwirt L. ausgeliehen hatte. Der Beklagte zu 1) fuhr den MB-Trac, die Helfer F. und P. luden die Strohballen auf die Anhänger und – am Spätnachmittag – Günther Müller stapelte die Strohballen auf den Anhängern. Bei der ersten Rückfahrt zum Hof nahmen die Helfer F. und P. auf der Ladefläche des MB-Trac Platz, während G. auf dem zweiten Anhänger verblieb. Dies geschah auch bei der zweiten Rückfahrt. Als der Beklagte zu 1) gegen 19.30 Uhr von der Kreisstraße 41 nach links in die Heiligenhafener Chaussee abbog, brach das Ladegitter des zweiten Anhängers nach rechts ab und fiel mit den Strohballen nach rechts auf die Straße, ohne dass der Hänger umkippte. Auch G. stürzte auf die Straße und prallte mit dem Kopf gegen die Bordsteinkante; er trug einen Schädelbruch, einen Bruch des rechten Augenhöhlenknochens und einen Splitterbruch des rechten Handgelenks davon.

Die Klägerin trug die Kosten der stationären und ambulanten Behandlung des G. und zahlte an ihn eine Unfallrente von zuletzt 495,50 DM. Mit Schreiben vom 13.10.1997 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) die bis dahin entstandenen Aufwendungen in Höhe von 33.840,22 DM geltend. Nach einem Schriftwechsel mit der Beklagten zu 2), der Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1), zahlte diese den geltend gemachten Betrag Ende Februar 1998 an die Klägerin mit dem Vermerk „zum Ausgleich der Forderung”.

Die Klägerin macht weitere Aufwendungen gegen die Beklagten geltend und hat dazu vorgetragen:

Der Beklagte zu 1) habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Der Landwirt L. habe den Beklagten zu 1) auf den schlechten Zustand des Anhängers ausdrücklich hingewiesen. Im übrigen sei dessen schlechter Zustand vor dem Unfall ohne weiteres deutlich erkennbar gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 22.353,79 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
  2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche Schäden, die ihr in Zukunft aus dem Unfall vom 05.09.1996 auf der K 41/Ecke Heiligenhafener Chaussee in Oldenburg in Holstein entstanden sind, zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben bestritten, dass der Landwirt L. den Beklagten zu 1) auf den schlechten Zustand des Hängers hingewiesen habe, und haben behauptet, dessen schlechter Zustand sei vor dem Unfall äußerlich auch nicht erkennbar gewesen. Die Verstöße des Beklagten zu 1) gegen Unfallverhütungsvorschriften seien daher nicht als grobe Fahrlässigkeit einzustufen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, dass das Verschulden des Beklagten zu 1) bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt grob fahrlässig gewesen sei. Im übrigen hat das Landgericht in der Zahlung ein deklaratorisches Anerkenntnis gesehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ein den Kausalzusammenhang unterbrechendes überwiegendes Mitverschulden des G. einwenden, eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten zu 1) und ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Beklagten zu 2) leugnen. Dazu wiederholen und ergänzen die Beklagten ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf die Berufungsbegründung vom 27.04.1999 und die Berufungserwiderung vom 07.09.1999 Bezug genommen.

Die Ermittlungsakte 752 Js 2644/97 StA Lübeck hat vorgelegen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

1) Grobe Fahrlässigkeit

Der Beklagte zu 1) haftet für die Aufwendungen der Klägerin für den Verletzten G. gemäß § 640 RVO nur, wenn er den Arbeitsunfall mindestens grob fahrlässig ve...

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