Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der Streupflicht
Leitsatz (amtlich)
Auch mit einer vertraglich unwirksamen Übertragung der Streupflichten, können sich die Streupflichten des ursprünglich Pflichtigen in Auswahl-, Instruktions- und Überwachungspflichten ändern und Pflichten bei dem Übernehmer entstehen.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 12.10.2011; Aktenzeichen 2 O 99/01) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten vom 28.10.2011 wird das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Itzehoe vom 12.10.2011 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits im ersten und zweiten Rechtszug.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 18.726,70 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatz, Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle Schäden aus einem Unfall vom 6.2.2010 vor dem Haus W. 14 in B..
Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Itzehoe hat den Klaganträgen bis auf die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige immaterielle Schäden stattgegeben.
Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt mit den nachfolgend kurz gefassten Begründungen:
1. Die Beweiswürdigung sei in sich widersprüchlich, weil sämtliche vernommenen Zeugen als glaubwürdig bezeichnet worden seien, aber lediglich den Aussagen geglaubt worden sei, die die Behauptungen der Klägerin zum verkehrspflichtwidrigen Zustand der streitgegenständlichen Unfallstelle vor dem Haus des Beklagten bestätigt hätten. Die Behauptungen der Klägerin zur Unfallstelle seien aber schon deshalb in Zweifel zu ziehen, weil sie im Rahmen der telefonischen Schadenmeldung als Unfallort den W. 14 bis 16 angegeben und im Zeugenfragebogen vom 1.3.2010 die dort ganz konkret gestellte Frage nach dem Unfallort (Passierte es in Höhe einer Garage mit hellem Verblender? Blatt 12 der Ermittlungsakte) nicht beantwortet habe. Die Beschaffenheit des Gehweges am Unfallort sei von der Klägerin und ihrem Freund, dem Zeugen L., unterschiedlich beschrieben worden. Nach den Angaben der Klägerin soll sich auf dem Bürgersteig "blankes Eis" befunden haben mit höchstens ein paar Krümelchen Schnee. Dem gegenüber habe der Zeuge L. erklärt, dass auf dem Bürgersteig teilweise verharschter Schnee gelegen habe. Es sei Eisglätte unter teilweise noch vorhandenem verharschtem Schnee vorhanden gewesen.
2. Rechtsfehlerhaft habe das LG angenommen, die Räum- und Streupflicht sei nicht wirksam auf den als Zeugen vernommenen Nachbarn K. übertragen worden. Die Übertragung sei jedoch wirksam erfolgt, weil sie in der urlaubsbedingten Abwesenheit des Beklagten in der Zeit vom 31.1.2012 bis zum 7.2.2010 im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtungen vollständig erfolgt und so bereits beanstandungslos 15 Jahre praktiziert worden sei. Ohne besonderen Anhalt habe der Beklagte danach seinen Nachbarn nicht kontrollieren müssen. Im Übrigen sei aber auch die Mutter des Beklagten, die Zeugin S., damit betraut gewesen, täglich nach der Post zu sehen, wobei sie auch gleichzeitig eine Kontrolle der Verhältnisse auf dem Bürgersteig und der Zuwegung zum Haus verbunden habe. Die Zeugin S. habe im Rahmen Ihrer Vernehmung auf Befragen ausdrücklich erklärt, das sie Herrn K. angesprochen hätte, wenn der Bürgersteig nicht geräumt gewesen wäre. Sie habe überdies bestätigt, dass auch bei früheren Urlauben der Räum- und Streudienst durch den Nachbarn K. ordnungsgemäß durchgeführt worden sei.
3. Im Übrigen treffe die Klägerin ein Mit- bzw. Eigenverschulden weil sie - unabhängig vom Schuhwerk - am Unfalltag nicht besondere Sorgfalt gewahrt habe, die aufgrund der vorhandenen Witterungs- und Straßenverhältnisse erforderlich gewesen wäre.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
1. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte seine Verkehrssicherungspflichten auf dem streitgegenständlichen Bürgersteig vor seinem Haus zur Unfallzeit wirksam auf seinen Nachbarn K. delegiert hatte.
a) Die Wirksamkeit der gewollten Delegation dürfte allerdings nicht an der Unklarheit der Übertragung scheitern, da der Inhalt der zu übertragenden Verkehrssicherungspflichten, sowie der räumliche und zeitliche Umfang dem Nachbarn K. bekannt war, weil von der Gemeinde B. auf ihn entsprechende Pflichten vor seinem Hause kraft Satzung delegiert worden waren.
b) Die Wirksamkeit der gewollten Delegation dürfte auch nicht daran scheitern, dass es sich bei dem Nachbarn K. nicht um ein Fachunternehmen für den Winterstreudienst handelte. Wäre dies ein Entscheidungskriterium für die Wirksa...