Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährungsbeginn des Anspruchs aus § 852 BGB
Leitsatz (amtlich)
Die Verjährung des Anspruchs aus § 852 BGB bei einem vom sogenannten Diesel- oder Abgasskandal betroffenen Fahrzeug beginnt mit Abschluss des Kaufvertrags. Der Kaufvertrag über ein Fahrzeug kommt mit der Annahme der Bestellung des Käufers durch den Verkäufer zustande, nicht erst mit der Auslieferung des zugelassenen Fahrzeugs an den Käufer. Weder die Auslieferung des Fahrzeugs (entgegen OLG München, U. v. 26.08.2020 - 15 U 36/19 -) noch der Zugang der Bereicherung bei der Beklagten sind für den Beginn der Verjährung des Anspruchs aus § 852 BGB maßgeblich.
Normenkette
BGB §§ 187, 214, 826, 852
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das angefochtene Urteil geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckten Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger bestellte im Herbst 2010 bei der Autohof R GmbH in R einen neuen Pkw VW Tiguan. Am 29.03.2011 wurde der Pkw zugelassen und an den Kläger übergeben. Von diesem Tag datiert auch die Rechnung über 35.245,00 EUR (Anl. K1a im Anlagenband). Das Fahrzeug ist mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestattet. Motoren dieses Typs verfügen über eine Software, die erkennt, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet. In diesem Fall sorgt die Motorsteuerung für einen günstigeren Stickstoffausstoß als im realen Fahrbetrieb. Das Kraftfahrbundesamt beanstandete die Software als unzulässig.
Der Kläger sieht sich von der Beklagten in sittenwidriger Weise getäuscht. Er verlangt insbesondere gestützt auf § 826 BGB auf Schadenersatz durch Rückabwicklung des Kaufvertrages. Mit Klagschrift vom 29.03.2021, anhängig gemacht am gleichen Tage, hat er die Rückerstattung des Kaufpreises abzgl. Nutzungsentschädigung und Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.501,19 EUR, jeweils nebst Zinsen, begehrt. Er hat ferner beantragt, Annahmeverzug der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme des Fahrzeugs festzustellen. Während des Rechtsstreits verkaufte er das Fahrzeug zum Preis von 14.800,00 EUR. Er hat daraufhin die Klage hinsichtlich des zurückzuerstattenden Betrages auf 20.445,00 EUR abzgl. Nutzungsentschädigung ermäßigt und wegen Differenzbetrages die Rücknahme erklärt. Die Beklagte ist der Klage in der Sache, aber auch mit der Einrede der Verjährung entgegengetreten.
Der weitere Vortrag der Parteien sowie die im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Anträge sind dem angefochtenen Urteil zu entnehmen. Hierin hat das Landgericht der Klage in Höhe von 9.637,55 EUR in der Hauptsache und von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 973,66 EUR, jeweils zzgl. Zinsen, stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Bei der Entscheidung ist das Landgericht von grundsätzlicher Haftung der Beklagten nach § 826 BGB ausgegangen. Die Beklagte, die sich das Handeln ihrer Mitarbeiter analog § 31 BGB zurechnen lassen müsse, habe das KBA bewusst und gewollt über den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung in den Motor getäuscht. Ein solches Verhalten sie im Verhältnis zu künftigen Erwerbern der betroffenen Fahrzeuge sittenwidrig. Dem Kläger sei hierdurch ein Schaden in Form eines ihm nachteiligen Vertragsschlusses entstanden, der durch das Aufspielen des Updates nicht entfallen sei. Der Ersatzanspruch richte sich auf das negative Interesse; das Landgericht hat ihn ausgehend von dem gezahlten Kaufpreis unter Abzug des durch den Weiterverkauf erzielten Erlöses und einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 10.807,65 EUR mit 9.637,55 EUR errechnet. Der Anspruch sei zwar verjährt, jedoch bestünde ein Anspruch auf Restschadenersatz aus § 852 BGB. Dieser Anspruch sei nicht verjährt, denn er sei erst mit der Auslieferung des Fahrzeugs am 29.03.2011 entstanden. Erst mit der Auslieferung, nicht schon mit der Bestellung, sei der Kaufvertrag zustande gekommen. Die im Jahr 2021 erhobene Klage wirke noch verjährungsunterbrechend. Aus § 826 BGB stünde dem Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung der berechtigten vorgerichtlichen Anwaltskosten zu.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Sie erstrebt die volle Abweisung der Klage und legt zur Begründung ausführlich dar, weshalb ihres Erachtens ein Anspruch aus § 852 BGB verjährt wäre.
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Der Verjährungseinrede hält er insb. entgegen, dass der Anspruch aus § 852 BGB erst mit der bei der Beklagten eingetretenen Bereicherung entstanden sein könne; dies sei frühestens mit dem Zeitpunkt der Kaufpreiszahlung am 29.03.23011 der Fall gewesen.
Mit Beschluss vom...