Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflichten bei Gallenblasenentfernung
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Anforderungen der Präparation bei der Gallenblasenentfernung (Verletzung des Ductus Choledochus)
2. Aufklärung vor einer laparoskopischen Gallenblasenentfernung - Hinweis auf unterschiedliche Inzidenz einer Choledochusverletzung bei Laparoskopie und Laparatomie nicht erforderlich
Normenkette
BGB §§ 823, 831; ZPO § 531 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Flensburg (Urteil vom 27.03.2008; Aktenzeichen 3 O 567/04) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.3.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Flensburg wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin macht als gesetzliche Krankenversicherung der Zeugin A aus übergegangenem Recht nach § 116 Abs. 1 SGB X Schadensersatz nach einer Gallenblasenentfernung bei der Zeugin im Hause der Beklagten am 8.5.2001 geltend, die zur Durchtrennung des Ductus choledochus (Hauptgallengang) führte. Die Zeugin hatte bereits im November 2000 Gallenkoliken, der Hausarzt Dr. V. diagnostizierte Gallensteine. Vom 6. auf den 7.5.2001 kam es bei der Zeugin erneut zum Auftreten von Gallenkoliken mit Übelkeit und Erbrechen, der Hausarzt überwies sie in das Krankenhaus der Beklagten. Eine dort am 7.5.2000 durchgeführte Oberbauchsonographie ergab eine akute Cholecystitis (Gallenblasenentzündung). Die Zeugin unterschrieb am Abend des 7.5.2001 einen Perimed-Aufklärungsbogen "Cholezystektomie", bei dem als operatives Vorgehen die laparoskopische Cholezystektomie angekreuzt ist. Unstreitig wurde sie vorher nicht über das ggü. der konventionellen Gallenblasenentfernung erhöhte Risiko einer Gallengangsverletzung bei einer Laparoskopie aufgeklärt. Bei der Operation vom 8.5.2001 (OP-Beginn: 13.05 Uhr) kam es unstreitig zu einer Durchtrennung des Ductus choledochus (Hauptgallengang), den der Operateur für den zu durchtrennenden Ductus cysticus (Gallenblasengang) gehalten hatte. Danach wechselte der Operateur zur offenen Operationsweise, versorgte den Ductus choledochus und entfernte die Gallenblase. Später brachten die Gastroenterologen der Beklagten einen Stent in den Gallengang ein, der mehrfach gewechselt und am 11.12.2001 endgültig entfernt wurde.
Die Klägerin macht als Schadensersatz die Kosten aus ihren Abrechnungen vom 17.6.2004 über EUR 9.807,46 (Bl. 31 d.A.) und vom 15.11.2004 über EUR 424,02 (Bl. 33 d.A.) geltend. Sie hat vorgetragen, die Zeugin sei nicht hinreichend aufgeklärt worden, insbesondere nicht über die Alternative einer konventionellen Entfernung der Gallenblase durch Öffnen der Bauchhöhle. Zu beanstanden sei ferner, dass sich die Aufklärung nicht auf die bei einer Laparoskopie gegenüber einer Gallenblasenentfernung durch Bauchschnitt erhöhten Gefahr der Verletzung des Hauptgallenganges erstreckt habe. Die Aufklärung sei am Vorabend der Operation zu zeitnah zur Operation erfolgt. Wäre die Zeugin rechtzeitig und hinreichend aufgeklärt worden, hätte sie zunächst abgewartet und konservative Behandlungsmethoden versucht, bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie sich keinesfalls zum fraglichen Zeitpunkt operieren lassen, ggf. nach konservativer Behandlung eine zweite Meinung und Informationen über die verschiedenen Operationsmöglichkeiten und Risiken eingeholt. Die Durchtrennung des Ductus choledochus stelle einen ärztlichen Behandlungsfehler dar. Der Operateur habe den Ductus cysticus nicht hinreichend freipräpariert. Wäre dies geschehen, hätte eine Verwechslung der Gallengänge ausgeschlossen werden können. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin wegen der Fehlbehandlung der bei ihr versicherten ... 10.231,48 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz wegen vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 480,82 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagzustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Ein Behandlungsfehler liege nicht vor, die Durchtrennung des Ductus choledochus sei schicksalhaft und trotz der Einhaltung aller Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen. Bei der Aufklärung sei über beide Varianten belehrt worden. Die Wahl der einen oder anderen Technik liege grundsätzlich im ärztlichen Ermessen; die Zeugin sei aber auch gerade mit der laparoskopischen Vorgehensweise einverstanden gewesen. Der Zeuge Dr. H. habe entsprechend seinen handschriftlichen Eintragungen auf dem Perimed-Bogen auf die möglichen Komplikationen hingewiesen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens im ersten Rechtszug wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, dessen schriftlicher Ergänzung und mündlicher Erläuterung seine klagabweisende Entscheidung, auf die wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, im Wesentlic...