Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 28.05.1997; Aktenzeichen 17 O 214/96) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Mai 1997 verkündete Urteil des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer für den Kläger liegt unter 60.000,– DM.
Tatbestand
I.
Der Kläger, dessen Grundstück an der Eisenbahnlinie L.-S. liegt, hat mit der Klage zunächst von der Beklagten die Unterlassung von Immissionen, die durch Pfeifen und Fahrgeräusche der Lokomotiven auf der Bahnstrecke L.-S. vor dem Grundstück des Klägers entstehen, sowie die Beschränkung des Bahnverkehrs auf der Strecke auf die Zeit zwischen 8.00 Uhr und 18.00 Uhr verlangt.
Hilfsweise hat er den Wertverlust des Grundstücks geltend gemacht, der durch die Immissionen eingetreten sei.
Der Kläger hat den Antrag auf Unterlassung der Fahrgeräusche in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausdrücklich nicht mehr gestellt.
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte verurteilt, Lärmimmissionen durch Pfeifsignale ihrer Lokomotiven auf der Bahnstrecke L.-S. vor dem Grundstück des Klägers binnen eines Jahres ab Rechtskraft des Urteils zu unterlassen. Es hat hierzu im angefochtenen Urteil ausgeführt: Dem Kläger stehe gemäß § 1004 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch dahingehend zu, dass die Beklagte bei dem Betrieb auf der Bahnstrecke die Pfeifgeräusche zu unterlassen habe. Den Kläger treffe hinsichtlich der Pfeifgeräusche keine Duldungspflicht. Zum einen seien die Pfeifgeräusche nicht unwesentlich. Zum anderen könne die Beklagte die Beeinträchtigung durch Einrichtung eines beschrankten Bahnüberganges vermeiden. Soweit der Kläger eine zeitliche Beschränkung der Fahrten verlange, stehe dem allerdings seine Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB entgegen. Ebenfalls unbegründet sei der Hilfsantrag. Es sei nicht erkennbar, dass gerade durch die Zeiten des Verkehrs die ortsübliche Benutzung des Grundstücks des Klägers über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt werde.
Entscheidungsgründe
II.
Die hiergegen gerichtete zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Dem Kläger steht der allein im Berufungsrechtszug noch streitige Anspruch auf Unterlassung der Pfeifsignale durch die Lokomotiven der Beklagten nach der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 1004 Abs. 1 BGB nicht zu.
Das Eigentum des Klägers wird allerdings durch die von den Lokomotiven ausgehenden Pfeifgeräusche – nur diese Geräusche bilden Gegenstand der landgerichtlichen Verurteilung – in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung beeinträchtigt. Es handelt sich hierbei meistens um täglich (montags bis freitags) drei Warnsignale. Diese werden von den Lokomotiven jeweils gegen 6.00 Uhr morgens, gegen 9.30 Uhr und 15.01 Uhr in Höhe der Pfeifsignaltafel, die ca. 70 m vom Grundstück des Klägers in Richtung S. steht, oder in dessen Nähe abgegeben. Hierdurch sollen Benutzer des ca. 150 m bis 200 m vom Grundstück des Klägers entfernten, nur mit Andreaskreuzen gesicherten Bahnübergang, der einen untergeordneten Feldtweg kreuzt, vor den herannahenden Zügen gewarnt werden. Teilweise kommen monatlich noch zwei weitere Warnsignale hinzu, die bei Bedarfsfahrten von L. nach S. ertönen. Nur die auf der Fahrt von L. nach S. ertönenden Warnsignale sind unstreitig auf dem Grundstück des Klägers wahrnehmbar, nicht jedoch die Warnsignale der Züge auf der Rückfahrt von S. nach L. Hauptbahnhof. Jedenfalls fühlt sich der Kläger durch diese Pfeifsignale nicht belästigt.
Der Kläger hat die in der Regel von montags bis freitags dreimal täglich erfolgenden Warnsignale, die in der Höhe der Pfeiftafel oder in deren Nähe notwendigerweise wegen des nachfolgenden unbeschrankten Bahnüberganges ertönen, zu dulden. Gemäß § 906 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstücks „Geräusche” als eine von einem „anderen Grundstück ausgehende Einwirkung insoweit nicht verbieten, als sie Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt” Anders ausgedrückt: Das Pfeifen ist zu unterlassen, wenn der Kläger dadurch wesentlich in der Benutzung seines Eigentums beeinträchtigt wird.
Für die Frage, ob eine nachbarrechtliche Geräuschimmission die Grundstücksbenutzung i. S.v. § 906 Abs. 1 BGB nur unwesentlich beeinträchtigt, kommt es nicht auf die Person des klagenden, mehr oder weniger empfindlichen Nachbarn an, sondern auf das Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen (vgl. BGH NJW 1958, 1393; NJW 1984, 1242; Palandt/Bassenge, BGB, 57. Aufl., § 906 Rdn. 17). Je nach der Art der Lärmentwicklung können sich Feststellungen des Gerichts orientieren an den messtechnisch erfassbaren dB (A)-Richtwerten in Vorschriften bzw. Hinweisen des Öffentlichen Immissionsschutzrechtes, welche allgemein anerkannte Entscheidungshilfe sein können, so etwa bei Verkehrs-, Fabrik- und Veranstaltungslärm...