Leitsatz
a) Eine weit gefasste Schlichtungsklausel in einem Pachtvertrag ist im Zweifel dahin auszulegen, dass sie auch für den Streit über die Wirksamkeit des Vertrags gelten soll (vgl. für die Schiedsgerichtsklausel BGHZ 69, 260, 263 f.; 53, 315, 318 f.).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
b) Ist in der Schlichtungsklausel keine Schlichtungsstelle benannt, so ist diejenige Stelle zuständig, die der Landesgesetzgeber für Schlichtungsverfahren vorgesehen hat.
c) Eine Schlichtungsklausel ist nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede der beklagten Partei zu beachten.
(Leitsätze der Redaktion)
Normenkette
BGB §§ 133, 151, 581
Kommentar
Der Rechtsstreit betrifft einen Pachtvertrag über ein in Mecklenburg-Vorpommern gelegenes gemeindeeigenes Gutshaus nebst Parkanlage. Der Vertrag enthielt folgende Schlichtungsklausel:
Schiedsgericht
Meinungsverschiedenheiten über Auslegung und Durchführung des Vertrags sollen auf dem Verhandlungsweg beigelegt werden. Vor Anrufung eines Gerichts muss ein Schlichtungsversuch vor dem Schiedsgericht unternommen werden.
Der Entschluss der Gemeinde zur Verpachtung des Gutshauses beruhte auf einem Beschluss der Gemeindevertretung. Dieser Beschluss wurde jedoch von der kommunalen Aufsichtsbehörde beanstandet. Die Gemeinde als Verpächterin war deshalb der Ansicht, dass der Pachtvertrag unwirksam sei, und hat den Pächter auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen. Der Pächter hat die Einrede aus der Schlichtungsklausel erhoben. Der BGH hatte zu klären, ob die Schlichtungsklausel wirksam ist und ob sie auch dann beachtet werden muss, wenn sich eine Partei auf die Unwirksamkeit des Vertrags beruft.
Dies wird vom BGH bejaht. Die Entscheidung beruht auf folgenden Grundsätzen:
1. Man unterscheidet zwischen der Schiedsvereinbarung und der Schlichtungsvereinbarung. Eine Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) liegt vor, wenn an Stelle des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht entscheiden soll. Von einer Schlichtungsvereinbarung spricht man, wenn die Parteien vereinbaren, dass dem ordentlichen Rechtsweg ein Schlichtungsverfahren vorgeschaltet wird. In der Klausel ist vereinbart, dass "vor Anrufung eines Gerichts" ein Schlichtungsversuch stattzufinden hat. Die mit "Schiedsgericht" überschriebene Klausel ist demnach als Schlichtungsvereinbarung zu bewerten.
2. Eine in einem Pachtvertrag vereinbarte Schlichtungsvereinbarung, die nach ihrem Wortlaut "alle Meinungsverschiedenheiten über Auslegung und Durchführung des Vertrags" erfasst, ist auch dann wirksam, wenn sich der Pachtvertrag als solcher als unwirksam erweisen sollte. Dies beruht auf der Erwägung, dass zu den Meinungsverschiedenheiten im Sinne der Klausel auch die Frage zählt, ob der Vertrag überhaupt durchgeführt werden kann.
3. Ist in der Schlichtungsklausel keine Schlichtungsstelle benannt, so ist diejenige Stelle zuständig, die der Landesgesetzgeber für Schlichtungsverfahren vorgesehen hat.
4. Eine Schlichtungsklausel ist nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede der beklagten Partei zu beachten. Wird die Einrede erhoben, so wird die Klagbarkeit vorübergehend aufgehoben. Die Klage ist dann als zur Zeit unzulässig abzuweisen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 29.10.2008, XII ZR 165/06BGH, Urteil v. 29.10.2008, XII ZR 165/06, NZM 2009, 277