Leitsatz

  1. Eigentümergemeinschaft kann Schnee- und Eisreinigungspflicht auf Drittfirma übertragen
  2. Insoweit besteht Pflicht der Gemeinschaft zur Auswahl einer geeigneten Person/Firma und zur Überwachung der Arbeiten im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren
 

Normenkette

§ 823 BGB; §§ 29 ff. Hamburger Wegegesetz

 

Kommentar

  1. Ein Wohnungseigentümer war auf dem Gehsteig vor dem Haus der Gemeinschaft aufgrund der Glätte des nicht vom Schnee geräumten öffentlichen Gehwegs am Morgen gestürzt und hatte sich schwer verletzt. Mit seiner Klage gegen die Gemeinschaft forderte er Erstattung eines Betreuungsschadens zu Hause sowie Schmerzensgeld.

    Nach Hamburger Wegegesetz war die Gemeinschaft für die Durchführung des Reinigungs- und Winterdienstes auf dem Gehweg (Unfallort) verpflichtet. Die Gemeinschaft hatte ihre Pflichten einem Reinigungsunternehmen übertragen.

    Die Klage blieb erfolglos.

  2. Wird die Gemeinschaft von einem Wohnungseigentümer als Kläger nach Deliktsrecht wegen Verletzung bestehender Verkehrssicherungspflichten in Anspruch genommen, bedarf es vor Klageführung nicht eines Bemühens des Klägers, zuvor eine Beschlussfassung der Gemeinschaft zu erreichen (Vorschaltverfahren). Ein solches Erfordernis besteht nur dann, wenn das Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bzw. das Rechtsverhältnis zur Gemeinschaft betroffen ist (vgl. BGH, ZMR 2010 S. 542). Vorliegend ereignete sich der Unfall auf einem öffentlichen Weg vor dem Grundstück der Beklagten, sodass der Kläger als Dritter gegen die Gemeinschaft im Sinne von § 43 Nr. 5 WEG klagt.

    Die Gemeinschaft war nach dem Hamburger Wegegesetz zur Schneeräumung und Eisbeseitigung auch auf öffentlicher Grundstücksfläche verpflichtet. Als solche kann sie selbst als Trägerin der Reinigungspflicht aufgrund ihrer Teilrechtsfähigkeit gemäß § 10 Abs. 6 WEG bei Pflichtverletzungen in Anspruch genommen werden (unabhängig von öffentlich-rechtlicher Gesamtschuldhaftung der Wohnungseigentümer nach Bruchteilen).

  3. Die Räum- und Streupflicht als Verkehrssicherungspflicht kann allerdings auf Dritte übertragen werden, wie dies vorliegend auch geschehen ist (h.M.). In einem solchen Fall verengt sich die Verkehrssicherungspflicht der delegierenden Gemeinschaft auf Kontroll- und Überwachungspflichten. Insoweit sind geeignete Personen/Firmen auszuwählen, die im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu überwachen sind. Dabei bestimmt sich der Umfang der Überwachung nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere Art und Häufigkeit der möglichen Schäden. Ausreichend ist stichprobenhafte Kontrolle einer solchen Firma.

    Ein geschädigter Kläger besitzt insoweit die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Gemeinschaft ihrer Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden ist. Allerdings übersieht der Kläger, dass die Gemeinschaft bei Fehlleistung der Firma (als Erfüllungsgehilfin) nicht nach § 278 BGB haften müsse, da diese Bestimmung im Deliktsrecht nicht gilt. Möglicher Haftungsanspruch könnte allenfalls aus § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB hergeleitet werden (Verrichtungsgehilfenhaftung). Vorliegend mangelte es allerdings bereits an der Darlegung des Klägers hinsichtlich eines Auswahl- bzw. Überwachungsverschuldens; des Weiteren handelte es sich bei dem beauftragten Unternehmen nicht um eine Verrichtungsgehilfin der Gemeinschaft mangels bestehender Weisungsbefugnis; die Firma war als selbstständiges Unternehmen beauftragt und unterlag nicht den Weisungen der beklagten Gemeinschaft.

 

Link zur Entscheidung

AG Hamburg-Wandsbek, Urteil v. 4.9.2012, 716b C 53/12, ZMR 2013 S. 76

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