Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 87
Muss der Anwalt seinen Vergütungsanspruch gerichtlich durchsetzen, gibt es hierzu grds. zwei Möglichkeiten: Er kann seinen Vergütungsanspruch gegen den Mandanten durch das Gericht festsetzen lassen (§ 11) oder Klage vor dem Zivilgericht erheben.
a) Vergütungsfestsetzungsverfahren
Rz. 88
Gegenüber dem Vergütungsprozess ist das Festsetzungsverfahren nach § 11 wesentlich zeit- und kostenökonomischer. Es hat daher gegenüber der Zivilklage prozessualen Vorrang; wenn und solange ein Festsetzungsverfahren möglich ist, fehlt es einer Klage am Rechtsschutzbedürfnis. Voraussetzung ist freilich, dass die Vergütung für die Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren entstanden ist; anderenfalls scheidet ein Antrag nach § 11 aus.
Rz. 89
Eine nach §§ 3a ff. vereinbarte Vergütung ist einer Festsetzung nicht zugänglich, da es sich insoweit nicht um die gesetzliche Vergütung i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 1 handelt. Mit der Vereinbarung einer Vergütung haben die Parteien die gesetzliche Vergütung gerade abbedungen mit der Konsequenz, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzliche Vergütung vollständig ersetzt.
Rz. 90
Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss stellt einen Vollstreckungstitel dar, aus dem die Zwangsvollstreckung gegen den Mandanten wie aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss betrieben werden kann (§ 11 Abs. 2 S. 3 RVG i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
b) Vergütungsprozess
Rz. 91
Der Gerichtsstand einer Vergütungsklage richtet sich nach § 29 ZPO. Da Rechtsgrund für den anwaltlichen Vergütungsanspruch regelmäßig der mit dem Mandanten geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag ist (siehe Rdn 13), gilt für Honorarklagen der Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes. Dieser richtet sich grds. nach dem Leistungsort, der sich aus § 269 BGB ergibt. Danach ist die Leistung am Wohnsitz des Schuldners vorzunehmen, wenn sich nicht aus einer anderweitigen Bestimmung oder den Umständen, namentlich der Natur des Schuldverhältnisses, etwas anderes ergibt. Die Rechtsnatur des Anwaltsvertrages und die Umstände seines Zustandekommens rechtfertigen indes keine Abweichung vom Wohnsitzprinzip, weshalb Vergütungsansprüche mangels anderweitiger Vereinbarung gem. § 29 ZPO nur am Wohnsitz des Mandanten geltend gemacht werden können. Der internationale Gerichtsstand für Anwaltshonorarklagen richtet sich ebenfalls nach dem Erfüllungsort. Wird eine anwaltliche Dienstleistung in mehreren Mitgliedstaaten der EU erbracht, gilt als einziger Erfüllungsort der Ort, in dem der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt. Bspw. sind für die Vergütungsklage eines deutschen Anwalts wegen der Vertretung einer in Spanien wohnhaften Partei vor einem deutschen Gericht grds. die deutschen Gerichte zuständig.
Rz. 92
Bei einer Honorarklage mangelt es grds. am Rechtsschutzbedürfnis, wenn für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs das Festsetzungsverfahren nach § 11 in Betracht kommt (siehe Rdn 87). Etwas anderes gilt freilich, wenn der Anwalt die gesetzlichen Gebühren nur hilfsweise neben Ansprüchen aus einer Vergütungsvereinbarung einklagt. Das Rechtsschutzinteresse fehlt auch dann nicht, wenn der Mandant zum Teil nicht-gebührenrechtliche Einwände gegen den Vergütungsanspruch erhebt (§ 11 Abs. 5); in diesem Fall kann der Anwalt die Gesamtvergütung sofort einklagen und muss sich nicht darauf verweisen lassen, zwei getrennte Verfahren (Festsetzungsverfahren und Klage) zu führen.
Rz. 93
Die Darlegungs- und Beweislast für die den Vergütungsanspruch begründenden Tatsachen obliegt nach den allgemeinen Regeln dem Rechtsanwalt. Sie kollidiert naturgemäß mit dem anwaltlichen Berufsgeheimnis gem. § 43a Abs. 2 BRAO. Die Rechtsprechung löst dieses Spannungsverhältnis freilich zugunsten des Anwalts auf. Macht er seinen Vergütungsanspruch gerichtlich geltend, ist er berechtigt, das zur Erfüllung seiner Darlegungs- und Beweislast Notwendige vorzutragen, auch wenn er dabei gegen das Verschwiegenheitsgebot verstößt. Der Begriff der Notwendigkeit wird nach den Grundsätzen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB, § 228 BGB) durch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit konkretisiert. So dürfen etwa zur Durchsetzung anwaltlicher Minimalforderungen nicht Geheimnisse von hochrangiger Bedeutung verraten werden; auch das leichtfertige Einklagen offensichtlich unbegründeter Ansprüche kann einen Verstoß gegen § 43a Abs. 2 BRAO begründen.
Rz. 94
In der Klagebegründung muss der darlegungsbelastete Anwalt für die Schlüssigkeit seines Tatsachenvortrags zunächst auf die Entstehung des Vergütungsanspruchs durch den wirksamen Abschluss des Anwaltsvertrages (siehe Rdn 14 ff.) sowie auf dessen Fälligkeit (§ 8 Abs. 1) eingehen. Der Sachvortrag muss zugleich die ordnungsgemäße Berechnung und Mitteilung des Anspruchs gegenüber dem Mandanten (§ 10) umfassen. Mit Blick auf den prozessualen Vorrang des Festsetzungsverfahrens gegenüber der Klage (siehe Rdn 88) sollte der Anwalt auch erläutern, dass und waru...