a) Zivilsachen

 

Rz. 50

Vertritt sich der Rechtsanwalt in einem Zivilverfahren selbst, sind ihm gem. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO solche Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines beauftragten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Er erhält also die fiktiven Kosten erstattet, die bei Beauftragung eines (anderen) Rechtsanwalts für dessen Tätigkeit erstattungsfähig gewesen wären. Eine Einschränkung ist indes bei der Abmahnung eines anderen Rechtsanwalts wegen wettbewerbsrechtlicher Ansprüche geboten. Hier kann eine Kostenerstattung ausscheiden, wenn es sich um einen leicht zu erkennenden Wettbewerbsverstoß handelt.[88] Werden die in einer Sozietät verbundenen Rechtsanwälte persönlich als Gesamtschuldner in Anspruch genommen und vertreten sie sich in diesem Verfahren jeweils selbst, kann der Kostenerstattungsanspruch insgesamt auf den Betrag beschränkt sein, der sich ergeben hätte, wenn sie einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten beauftragt hätten.[89]

 

Rz. 51

Das Kostenerstattungsprinzip bei einer Selbstvertretung gilt auch für die Zwangsvollstreckung, nicht aber (analog) für den außergerichtlichen Bereich[90] und im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.[91] Vertritt sich eine Testamentsvollstreckerin, die von Beruf Rechtsanwältin ist, in einem Verfahren betreffend ihre Entlassung aus dem Amt als Testamentsvollstreckerin selbst, so kann sie im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 85 FamFG i.V.m. §§ 103 ff. ZPO keine Gebühren nach dem RVG in Ansatz bringen.[92] Reisekosten sind insoweit zu erstatten, wie die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen wäre. Für die Selbstregulierung eines eigenen Unfallschadens entsteht dem Anwalt ein Ersatzanspruch gegen den Schädiger, der sich nach der Höhe desjenigen fiktiven Anspruchs berechnet, der entstanden wäre, wenn ein Geschädigter einen Anwalt in Anspruch genommen hätte.[93] Dieser Anspruch setzt natürlich voraus, dass auch ein Nicht-Anwalt diese Kosten ersetzt bekommen hätte. Er scheidet also aus bei ganz einfach gelagerten Sachverhalten, bei Schäden im Bagatellbereich oder wenn der gegnerische Versicherer den Schaden nach Grund und Höhe sofort voll anerkennt.

[89] BGH 2.5.2007 – XII ZB 156/06, NJW 2007, 2257; Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rn 13 "Sozietät", m.w.N.
[90] Vgl. hierzu BGH 6.5.2004 – I ZR 2/03; Riedel/Sußbauer/Pankatz, RVG, § 1 Rn 178; AG Halle AGS 2010, 569 = NJW 2010, 3456.
[91] OLG Köln FGPrax 2011, 205; OLG München MDR 2007, 746; BayObLG NJW-RR 2007, 773; Riedel/Sußbauer/Pankatz, RVG, § 1 Rn 169.
[93] BGH 8.11.1994 – VI ZR 3/94, DAR 1995, 67; AG Germersheim zfs 2003, 37; AG Moers zfs 2002, 478; AG Fulda DAR 1999, 270; ausf. Onderka, Anwaltsgebühren in Verkehrssachen, Rn 361 ff.

b) Fachgerichtsbarkeit

 

Rz. 52

Ein dem Zivilprozess entsprechender Erstattungsanspruch gilt für den Verwaltungsrechtsstreit,[94] das Finanzgerichtsverfahren (§ 155 FGO),[95] das Sozialgerichtsverfahren (§ 193 Abs. 3 SGG)[96] sowie das Arbeitsgerichtsverfahren mit Ausnahme der ersten Instanz (§ 12a ArbGG).

[94] BayVGH BayVBl 1972, 645; OVG Lüneburg NVwZ-RR 2002, 237; VG Düsseldorf NJW 1965, 1039; VG Oldenburg AnwBl 1975, 97.
[95] Riedel/Sußbauer/Pankatz, RVG, § 1 Rn 169.
[96] Riedel/Sußbauer/Pankatz, RVG, § 1 Rn 173.

c) Rechtsschutzversicherung

 

Rz. 53

Das in § 5 ARB enthaltene Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers erfasst auch die Rechtsanwaltsvergütung, die durch die Selbstvertretung eines versicherten Rechtsanwalts in einem Zivilrechtsstreit entsteht. Denn § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO bestimmt, dass dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten sind, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts verlangen könnte. Daher steht einer Erstattungspflicht des Rechtsschutzversicherers hier nicht entgegen, dass ein Honoraranspruch für Selbstvertretung prozesskostenrechtlich nicht entstehen kann.[97]

[97] BGH 10.11.2010 – IV ZR 188/08, AGS 2011, 49 = RVGreport 2011, 80 = NJW 2011, 232, m.w.N. auch für die Gegenauffassung.

d) Straf- und Bußgeldsachen

 

Rz. 54

Dem Rechtsanwalt, der sich im Strafprozess selbst verteidigt, steht ein anwaltlicher Gebühren- und Auslagenerstattungsanspruch dagegen nicht zu. Es ist umstritten, ob einem in einer Straf- oder Bußgeldsache sich selbst verteidigenden und freigesprochenen Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung zu erstatten ist, deren Erstattung er aus der Staatskasse verlangen könnte, wenn er einen Verteidiger hinzugezogen hätte. Für die Erstattungsfähigkeit spricht, dass §§ 46 OWiG, 464b Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO verweisen. Nach dieser Bestimmung sind dem in eigener Sache tätigen Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Die Befürworter der Erstattungsfähigkeit berufen sich auf diese eindeutige gebührenrechtliche Verweisung und gehen deshalb davon aus, dass ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt ...

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