Rz. 72
Probleme ergeben sich bei einer Vergütungsvereinbarung, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die vereinbarte Vergütung nicht voll wirksam vereinbart worden ist. Hier ist zu differenzieren.
aa) Die Vergütungsvereinbarung ist unwirksam
Rz. 73
Ist eine Vergütungsvereinbarung unwirksam, also nicht nur eine Naturalobligation – wie bei den Verstößen gegen §§ 3a und 4a –, sondern vollends nichtig, etwa wegen Sittenwidrigkeit, Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot i.V.m. § 134 BGB, nach § 306 Abs. 3 BGB o.Ä., ist nur die gesetzliche Vergütung geschuldet. In einem solchen Fall kann der Anwalt die vereinbarte Vergütung nicht abrechnen. Er muss vielmehr nach den gesetzlichen Vorschriften abrechnen. Die Wirksamkeit dieser Abrechnung richtet sich dann unmittelbar nach § 10. Die Abrechnung der infolge der Unwirksamkeit der Vereinbarung nicht geschuldeten Vergütung reicht nicht aus.
bb) Die Vergütung ist aufgrund eines Formfehlers nach § 4b unverbindlich und damit nicht einforderbar
Rz. 74
In diesem Fall bleibt die Vergütungsvereinbarung wirksam. Der Anwalt kann jedoch nicht mehr als die gesetzliche Vergütung verlangen.
Rz. 75
Im Gegensatz zur Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung, bei der der Anwalt darauf angewiesen ist, erst einmal eine ordnungsgemäße Berechnung der gesetzlichen Gebühren vorzulegen (siehe Rdn 73), braucht und darf er dies nicht, wenn lediglich ein Formverstoß vorliegt, der nicht zur Unwirksamkeit, sondern nur zur Unverbindlichkeit der Vereinbarung führt, soweit die vereinbarte Vergütung die gesetzliche Vergütung übersteigt. Die frühere gegenteilige Rechtsprechung des KG sowie des OLG Düsseldorf ist durch die vorgenannte Entscheidung des BGH überholt. Bei einem Verstoß gegen § 3a oder § 4b bleibt die Vergütungsvereinbarung wirksam. Der Anwalt darf daher gar nicht eine ordnungsgemäße Berechnung der gesetzlichen Gebühren vorlegen. Eine solche Berechnung wäre unzutreffend und würde der Vorschrift des § 10 nicht entsprechen, weil die gesetzliche Vergütung nicht vereinbart ist, auch wenn der Anwalt nicht mehr als diese verlangen kann. Die Höhe der gesetzlichen Vergütung ist lediglich ein Maßstab für die geschuldete vereinbarte Vergütung, so dass es keiner Berechnung nach § 10 über der gesetzlichen Vergütung bedarf. Der Anwalt muss vielmehr entsprechend der getroffenen Vergütungsvereinbarung abrechnen und dann in einem Begleitschreiben oder in der Rechnung selbst alternativ die gesetzlichen Gebühren berechnen, so dass der Auftraggeber ersehen kann, in welcher Höhe er die vereinbarte Vergütung begleichen muss.
cc) Es ist unklar, ob die Vergütungsvereinbarung wirksam ist
Rz. 76
Probleme treten auf, wenn die Parteien darüber streiten, ob die Vergütungsvereinbarung nichtig ist. Der Anwalt gerät dann in ein Dilemma. Er läuft Gefahr, dass er im Rechtsstreit später völlig unterliegt, nämlich
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hinsichtlich der vereinbarten Vergütung, weil diese nicht vereinbart ist, und |
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hinsichtlich der gesetzlichen Vergütung, weil es an einer ordnungsgemäßen Berechnung nach § 10 fehlt. |
Rz. 77
Die Abrechnung nach einer Vergütungsvereinbarung ist nämlich keine inhaltlich falsche Berechnung der gesetzlichen Vergütung, sondern etwas völlig anderes. Während inhaltliche Fehler, etwa ein unzutreffender Gebührentatbestand oder eine unzutreffende Streitwertannahme, ohne weiteres korrigiert werden können, verhält es sich bei Abrechnung einer Vergütungsvereinbarung anders. Der Auftraggeber weiß hier nämlich gar nicht, was von ihm stattdessen an gesetzlichen Gebühren geschuldet wird. Dies gilt erst recht, wenn bei gesetzlicher Abrechnung Rahmengebühren abzurechnen sind. Der Anwalt muss dann nämlich zunächst einmal sein Bestimmungsrecht nach §§ 315 ff. BGB, § 14 Abs. 1 ausüben.
Rz. 78
Der Anwalt muss daher bei Streit darüber, ob eine Vereinbarung besteht, rechtzeitig vorsorglich und hilfsweise die gesetzlichen Gebühren abrechnen und als Sockelbetrag geltend machen. Der Anwalt vermeidet den völligen Prozessverlust, falls das Gericht die Vereinbarung als nichtig ansehen sollte.