Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 36
Über eine Anhörungsrüge entscheidet das Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wird, in seiner regulären Besetzung. Das Gericht muss deshalb nicht in derselben Besetzung wie in der angegriffenen Entscheidung entscheiden. § 12a enthält keine Bestimmung darüber, wer an der Entscheidung mitzuwirken hat.
Rz. 37
Die ganz h.M. geht davon aus, dass über die Anhörungsrüge derselbe Richter entscheiden darf, der die angefochtene Entscheidung erlassen hat.
Meines Erachtens verletzt es aber das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG), wenn über die Zulässigkeit und Begründetheit einer Anhörungsrüge derjenige Richter, der die Anhörungsverletzung begangen hat, entscheidet. Denn niemand darf Richter in eigener Sache sein und ein zur Entscheidung berufenes Gericht nicht zugleich Partei in einem von ihm zu entscheidenden Rechtsstreit. Zum Wesen der richterlichen Tätigkeit nach dem Grundgesetz gehört, dass sie durch einen "nichtbeteiligten Dritten" in persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit ausgeübt wird. Im Anhörungsrügeverfahren ist der Richter aber nicht mehr unbeteiligter Dritter. Denn die Anhörungsrüge stellt die einfachgesetzliche Ausformung des durch den allgemeinen Justizgewährungsanspruch eröffneten Rechtsschutzes gegen den Richter dar. Verfahrensgegenstand ist allein die Frage, ob der entscheidende Richter selbst den Anspruch einer Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. Der den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Richter nimmt in dem Verfahren über den Rechtsschutz gegen ihn – dem Anhörungsrügeverfahren – formell und materiell die Stellung einer Partei ein. Gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) verstößt aber nicht § 12a selbst, sondern nur die jeweilige Anwendung im Einzelfall. Die Vorschrift gibt nämlich nicht zwingend vor, dass über die Anhörungsrüge derjenige Richter entscheiden muss, der selbst den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat. § 12a lässt vielmehr die Möglichkeit offen, dass durch Geschäftsverteilungsplan vorgesehen werden kann, dass über die Anhörungsrüge ein anderer als der den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzende Richter entscheidet. Zwar muss zugegeben werden, dass dieser Weg umständlich und wenig pragmatisch erscheint, gleichwohl hat sich diese Verfahrensweise schon bei der Ablehnung eines Richters (§§ 41 ff. ZPO) bewährt. Ein derartiger Ablauf würde jedenfalls die Verfassungsmäßigkeit des Anhörungsrügeverfahrens sichern.