Rz. 40
Die Bedeutung der Angelegenheit ist als subjektives Merkmal aus der Sicht des Auftraggebers zu ermitteln. Dabei ist neben der tatsächlichen und rechtlichen Bedeutung auch auf die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ideellen Auswirkungen des Ausgangs der Angelegenheit abzustellen. Es kommt auf die individuelle Bedeutung für den Auftraggeber an, da der Anwalt für diesen tätig wird. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Rechtsanwalt ist hingegen ebenso irrelevant, wie die Bedeutung für die Allgemeinheit. Eine Relevanz der Angelegenheit für Dritte ist nur insoweit erheblich, als dies die Bedeutung für den Mandanten erhöht.
Rz. 41
Von besonderer Bedeutung ist eine Angelegenheit insbesondere dann, wenn sie für den Mandanten zu beruflichen Konsequenzen oder gar zum Verlust der beruflichen Existenz führen kann. Dazu zählen etwa der Führerscheinentzug für einen Berufskraftfahrer oder einen Handelsvertreter, die Einberufung eines Arztes zum Wehrdienst oder berufliche Nachteile für einen Rechtsreferendar. Aber auch allgemeine Sanktionen können für den Mandanten eine gesteigerte Bedeutung besitzen, so etwa ein drohendes Fahrverbot oder die drohende Eintragung in das Verkehrszentralregister bzw. das Gewerbezentralregister. Ob für einen Beamten nachfolgende Disziplinarmaßnahmen eine höhere Bedeutung der Angelegenheit ergeben, ist umstritten; die h.M. bejaht dies. Auch ein großes öffentliches Interesse am Verfahren (Medienwirksamkeit) rechtfertigt die besondere Bedeutung der Angelegenheit. Sie kann für bestimmte rechtliche Konstellationen, etwa eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung, auch typisch sein.
Rz. 42
Besondere Konsequenzen einer Verurteilung können ebenfalls zu berücksichtigen sein, etwa bei einer Vielzahl von Vorstrafen, die eine erhebliche Freiheitsstrafe befürchten lassen. Unberücksichtigt sollen Vorstrafen dagegen bleiben, wenn sie wegen Zeitablaufs keinen Einfluss mehr haben können. Auch die besondere Bedeutung einer Vorstrafe für einen bislang nicht verurteilten Beschuldigten kann von Bedeutung sein. Berücksichtigungsfähig ist auch die Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Stellung durch eine drohende Verurteilung. Abzulehnen ist dagegen die Ansicht, wonach die Angelegenheit keine hohe Bedeutung für den Auftraggeber hat, wenn er von einem Freispruch hätte ausgehen können. Denn der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens – ob für den Mandanten nun positiv oder negativ – kann für die Frage der Bedeutung der Angelegenheit nach § 14 Abs. 1 keine Rolle spielen. Dies würde zum einen in unzulässiger Weise eine Erfolgskomponente in die Bewertung der anwaltlichen Arbeit bringen und zum anderen auch den Belangen des Mandanten nicht gerecht werden: Nimmt man die Entscheidung des AG Pirmasens ernst, dann ist jeder Freispruch im Strafverfahren und jedes Obsiegen im Zivilprozess für den Mandanten von nicht hoher Bedeutung, denn er hat ja "bekommen, was er wollte".
Rz. 43
Die besondere Bedeutung der Angelegenheit kann auch aus dem Umstand resultieren, dass das betreffende Verfahren ein Präjudiz für weitere Verfahren darstellt. Dies wird häufig im Strafverfahren der Fall sein, wenn eine Verurteilung Schadensersatzforderungen präjudiziert. Auch in Bußgeldverfahren kann die präjudizielle Wirkung für einen nachfolgenden Schadensersatzprozess von besonderer Bedeutung sein.