Rz. 1
Die Vorschrift des § 15 bildet die wesentliche Grundlage für das Gebührensystem des RVG. Das Gesetz teilt die einzelnen anwaltlichen Tätigkeiten in gebührenrechtliche Angelegenheiten auf, in denen dann die jeweiligen Gebühren entstehen. Von der Einordnung in eine bestimmte Angelegenheit hängt es ab, welche Gebühren der Anwalt erhält. Die Bestimmung der Angelegenheit ist daher immer Ausgangspunkt der Gebührenberechnung. Ohne Klarheit, in welcher Angelegenheit der Anwalt tätig geworden ist, kann eine richtige Berechnung der Vergütung oft gar nicht erstellt werden.
Rz. 2
In Abs. 2 ist der Grundsatz der Einmaligkeit der Gebühren niedergelegt. In derselben Angelegenheit kann jede Gebühr grundsätzlich nur einmal anfallen. Lediglich in einigen Ausnahmefällen kann die gleiche Gebühr in derselben Angelegenheit mehrmals ausgelöst werden.
Rz. 3
Aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Gebühren folgt konsequenterweise, dass die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Anwalts von der Erteilung des Auftrags bis zur Erledigung der Angelegenheit abgelten (Pauschalcharakter der Gebühren). Dies ist in Abs. 1 ausdrücklich festgehalten.
Rz. 4
Welchen Umfang jeweils eine Angelegenheit hat und wann mehrere Angelegenheiten vorliegen, war lediglich teilweise in Abs. 2 S. 2 a.F. geregelt. Danach sollte in gerichtlichen Verfahren jeder Rechtszug eine eigene Angelegenheit darstellen. Diese Regelung findet sich jetzt in § 17 Nr. 1. Damit ergibt sich unmittelbar aus § 15 selbst keine Abgrenzung mehr. Abzustellen ist auf die §§ 16 bis 19 und §§ 20, 21 sowie weitere spezielle Regelungen (z.B. VV Vorb. 4.3 Abs. 3 S. 2). Im Übrigen ergibt sich der Umfang der Angelegenheit aus den Umständen des Einzelfalles.
Rz. 5
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass in derselben Angelegenheit jede Gebühr nur einmal entstehen kann, enthält Abs. 3. Soweit es nach den Gebührenvorschriften möglich ist, dass hinsichtlich desselben Gebührentatbestandes aus verschiedenen Teilwerten unterschiedliche Gebührensätze anfallen, erhält der Anwalt aus den Teilwerten jeweils einzelne Gebühren. Insgesamt darf das Gebührenaufkommen jedoch nicht den Betrag einer Gebühr aus dem Gesamtwert nach dem höchsten Gebührensatz übersteigen.
Rz. 6
Die Vorschrift des Abs. 4 ist wiederum Ausdruck des Pauschalcharakters. Danach ist es auf das Entstehen der Gebühren ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist. Diese Vorschrift betrifft allerdings nur den Gebührentatbestand, nicht die Höhe der Gebühren. So ist die vorzeitige Beendigung des Auftrags oder der Angelegenheit durchaus im Rahmen des § 14 Abs. 1 zu berücksichtigen; sie kann auch zu einem geringeren Gebührensatz führen (z.B. VV 3101).
Rz. 7
Die Vorschrift des Abs. 5 S. 1 wiederholt nochmals den Grundsatz der Einmaligkeit der Gebühren. Danach erhält auch der Anwalt, der in derselben Angelegenheit erneut beauftragt wird, nachdem sich der erste Auftrag erledigt hat, nicht mehr an Gebühren, als wenn er von vornherein einen Gesamtauftrag erhalten hätte.
Rz. 8
Eine Ausnahme von dem vorangegangenen Grundsatz schafft allerdings die im Zuge des KostRÄndG 1994 schon in den damaligen § 13 BRAGO eingeführte Vorschrift des Abs. 5 S. 2. Danach wird eine neue Angelegenheit fingiert und eine Anrechnung ausgeschlossen, wenn der Anwalt erneut beauftragt wird, nachdem der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist. Gleichzeitig wird jetzt auch ausdrücklich in diesen Fällen eine Anrechnung ausgeschlossen.
Rz. 9
Die Vorschrift des Abs. 6 schließlich schafft eine Gebührenbegrenzung. Sie will verhindern, dass ein Anwalt, der mehrere Einzelaufträge erhält, hierdurch eine höhere Vergütung bekommt als derjenige Anwalt, der von vornherein einen Gesamtauftrag erhält.
Rz. 10
Der Wortlaut des Abs. 6 ist zuletzt erweitert worden (durch das 2. JuMoG, in Kraft getreten am 31.12.2006). Die Wörter "oder mit Tätigkeiten, die nach § 19 zum Rechtszug oder zum Verfahren gehören", sind zur Klarstellung eingefügt worden. Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass ein Anwalt, der nur mit Einzeltätigkeiten beauftragt worden ist, keine höheren Gebühren erhält als ein Anwalt, der mit dem gesamten Verfahren beauftragt worden wäre. An sich war die Ergänzung überflüssig, weil die wohl einhellige Auffassung Abs. 6 bereits in diesem Sinne ausgelegt hat. Die Erweiterung dient daher lediglich der Klarstellung. Erfasst werden diejenigen Fälle, in denen das Gesetz für bestimmte Einzeltätigkeiten eine höhere Vergütung vorsieht als in der Hauptsache.