Rz. 25
Erste Voraussetzung, die Tätigkeit des Anwalts einer einzigen Angelegenheit zuzuordnen, ist, dass ein einheitlicher Auftrag vorliegt. Das wiederum ist jedenfalls immer dann gegeben, wenn der Anwalt von einem Mandanten einen konkreten Auftrag erhält, hinsichtlich eines bestimmten Gegenstandes tätig zu werden. Darüber hinaus kann aber auch dann noch ein einheitlicher Auftrag vorliegen, wenn der Anwalt nacheinander mehrere (Teil-)Aufträge erhält. Insoweit muss allerdings Einigkeit darüber bestehen, dass die nacheinander erteilten Aufträge gemeinsam behandelt werden sollen. Es muss sich also um sukzessive Erweiterungen des ursprünglichen Auftrags handeln, nicht um völlig neue Aufträge, die mit dem ersten nicht in Zusammenhang stehen.
Beispiel 1: In einer Mietsache wird der Anwalt laufend beauftragt, weitere Mietrückstände geltend zu machen.
Beispiel 2: Der Anwalt wird zunächst nur mit der Regulierung eines Fahrzeugschadens beauftragt. Später erhält er den Auftrag, auch noch ein Schmerzensgeld zu verlangen.
Beispiel 3: Der Anwalt erhält den Auftrag, einen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Später erweitert der Mandant den Auftrag dahin, auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch durchzusetzen.
In sämtlichen Fällen versteht sich der Folgeauftrag nur als Erweiterung des ursprünglichen Auftrags, so dass insgesamt ein einheitlicher Auftrag zugrunde liegt.
Rz. 26
Voraussetzung dafür, einen einheitlichen Auftrag anzunehmen, ist, dass bei Erteilung des weiter gehenden Auftrags der ursprüngliche Auftrag noch nicht erledigt ist. Wird der weitere Auftrag erst erteilt, nachdem der erste bereits vollständig erledigt ist, liegen immer zwei verschiedene Angelegenheiten vor. Die Regelung des Abs. 5 S. 1 greift dann nicht, da diese Vorschrift gerade voraussetzt, dass der weitere Auftrag in derselben Angelegenheit erteilt wird.
Beispiel: Der Anwalt wird vom Vermieter beauftragt, die rückständige Miete für den Monat März außergerichtlich beizutreiben. Auf das Mahnschreiben hin zahlt der Mieter. Der Betrag wird an den Auftraggeber ausgekehrt. Hiernach erteilt der Vermieter den Auftrag, die nunmehr rückständig gewordene Miete für den Monat April geltend zu machen.
Da der erste Auftrag (Miete März) erledigt war, liegt somit hinsichtlich der Miete April ein neuer Auftrag vor. Es beginnt folglich auch eine neue Angelegenheit.
Rz. 27
Will der Auftraggeber dagegen, dass der weitere Auftrag gesondert behandelt wird, ist dies als ein neuer selbstständiger Auftrag zu verstehen, so dass dann auch zwingend eine neue Angelegenheit beginnt.
Rz. 28
Ein einheitlicher Auftrag kann auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird. Hier muss gegebenenfalls durch Auslegung ermittelt werden, ob der Anwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder ob er für jeden von ihnen gesondert tätig werden soll.
Rz. 29
Soweit die verschiedenen Auftraggeber hinsichtlich des Streitgegenstandes gemeinsam beteiligt sind, etwa als Gesamtgläubiger, Gesamthandsgläubiger, Gesamtschuldner o.Ä., wird man in der Regel von einem einheitlichen Auftrag ausgehen müssen.
Beispiel: Die Erbengemeinschaft beauftragt den Anwalt, vom Erbschaftsbesitzer Gegenstände herauszuverlangen.
Hier ist von einem einheitlichen Auftrag auszugehen. Den Auftraggebern kann nicht unterstellt werden, dass jeder Auftraggeber den Anwalt gesondert mit der Durchsetzung seines eigenen Anspruchs auf Leistung an die Erbengemeinschaft beauftragen will.
Rz. 30
Soweit hinsichtlich der Gegenstände und des Rechtsverhältnisses der Auftraggeber untereinander kein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang besteht, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an.
Beispiel: Nach einem Verkehrsunfall beauftragen sowohl der Halter als auch der Fahrer den Anwalt mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche.
Hier kann durchaus der Wille der Parteien dahin gehen, die Aufträge getrennt durchzuführen: Der Halter möchte möglicherweise nicht, dass der Fahrer erfährt, welche Werte reguliert werden. Der Fahrer wiederum möchte unter Umständen nicht, dass der Halter Informationen über seine Verletzungen erhält oder Einblick in seine Krankenunterlagen betreffend Vorerkrankungen oder Vorschäden (siehe Rdn 75).
Rz. 31
Im Zweifel dürfte davon auszugehen sein, dass mehrere Auftraggeber, die den Anwalt zeitgleich aufgrund eines einheitlichen Rechtsverhältnisses beauftragen, ihm auch einen einheitlichen Auftrag erteilen wollen, zumal dies infolge der Gebührendegression für sie günstiger ist. Im Zweifel sollte der Anwalt vor Annahme des Mandats die Auftragsverhältnisse ausdrücklich klarstellen.
Maßgeblich wird es bei der Frage, ob noch ein einheitlicher Auftrag vorliegt, auf den Einzelfall ankommen. Insoweit sei auf die zusammenfassende alphabetische Darstellung (siehe Rdn 38 ff.) Bezug genommen.