Rz. 38
Bei der Frage, ob die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts eine oder mehrere Angelegenheiten darstellt, sind sämtliche drei Voraussetzungen (siehe Rdn 23) zu prüfen. Soweit die Rechtsprechung mehrere Angelegenheiten annimmt, kommt häufig nicht zum Ausdruck, ob es am einheitlichen Auftrag, dem gleichen Rahmen oder dem inneren Zusammenhang fehlt. Letztlich ist dies auch nicht erforderlich, da bereits das Fehlen einer der genannten Voraussetzungen dazu führt, mehrere Angelegenheiten anzunehmen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Rz. 39
Abmahnung. Abmahnungen wegen Unterlassungsansprüchen für Text- und Bildveröffentlichung sind eine Angelegenheit.
Abmahnung und Abschlussschreiben sind dieselbe Angelegenheit. Siehe auch "Wettbewerbssachen" (Rdn 83).
Rz. 40
Abschlussschreiben. Siehe "Wettbewerbssachen" (Rdn 83).
Rz. 41
Anlagestreitigkeiten. Siehe "Kapitalanlage" (Rdn 62).
Rz. 42
Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe. Wird der Anwalt sowohl wegen der Ablehnung von Arbeitslosenhilfe als auch wegen der Rückforderung von vermeintlich zu viel gezahltem Arbeitslosengeld tätig, liegt nur eine Angelegenheit vor.
Rz. 43
Arbeitsverhältnis. Ist der Anwalt mit der Abwehr der Kündigung des Arbeitgebers beauftragt sowie mit den Bemühungen um eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses, liegt nur eine Angelegenheit vor.
Rz. 44
Arzthaftungssachen. Soll der Anwalt mehrere nacheinander tätig gewordene Ärzte wegen ärztlicher Fehlbehandlungen in kurzer zeitlicher Abfolge bei gleichem Krankheitsbild in Anspruch nehmen, liegt nur eine Angelegenheit i.S.d. Abs. 2 vor. Dies gilt auch dann, wenn ihnen jeweils selbstständige Behandlungsfehler vorgeworfen werden. Dass sie aufgrund jeweils separat geschlossener Behandlungsverträge (auch) vertraglich haften, ändert daran nichts.
Wird ein Rechtsanwalt allerdings zunächst mit der Ermittlung und Geltendmachung des erstattungsfähigen Schadens aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers und später gesondert mit der Berechnung des Verdienstausfalls für mehrere Jahre beauftragt, so liegt darin keine Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit, sondern es handelt sich dabei um einen neuen Auftrag und damit gebührenrechtlich um eine andere Angelegenheit.
Rz. 45
Asylverfahren. Die Vertretung mehrerer Familienmitglieder in Asylverfahren stellt grundsätzlich jeweils eine eigene besondere Angelegenheit dar. Zutreffend muss man wohl danach differenzieren, ob die Verwaltungsbehörde mehrere getrennte Verfahren führt. Dann liegen verschiedene Angelegenheiten vor. Führt die Verwaltungsbehörde dagegen ein gemeinsames Verfahren, so erhält der Anwalt die Gebühren nur einmal, allerdings aus den addierten Werten (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG).
Werden mehrere Asylanträge in verschiedenen Verfahren behandelt, liegen auch verschiedene Angelegenheiten vor. Dies gilt sowohl, wenn ein Bewerber mehrere Anträge gestellt hat und hieraus mehrere Verfahren resultieren, als auch dann, wenn der Anwalt mehrere Bewerber vertritt, die eigene Asylanträge gestellt haben und die in getrennten Verfahren behandelt werden.
Ist der Anwalt für mehrere Asylbewerber tätig, deren Asylanträge in einem einheitlichen Verfahren bearbeitet werden, insbesondere bei gemeinsamen Anträgen mehrerer Familienangehöriger, liegt nur eine Angelegenheit vor.
Rz. 46
Auftragserweiterung. Hat der Auftraggeber dem Anwalt zunächst nur für einen bestimmten Teilbereich einen Auftrag erteilt und erweitert er den Auftrag später, so liegt insgesamt nur eine Angelegenheit vor.
Rz. 47
Auskunft. Auskunftsverlangen und anschließende Aufforderung zur Leistung sind eine Angelegenheit, wenn der Auftrag von vornherein zum stufenweisen Vorgehen erteilt worden war. War der Anwalt dagegen zunächst nur mit dem Auskunftsbegehren beauftragt und wird er erst nach Erteilung der Auskünfte mit der Einforderung der Leistung beauftragt, liegen zwei Angelegenheiten vor, da dann der erste Auftrag bereits erledigt war, bevor der weitere Auftrag erteilt worden ist (vgl. Rdn 25).
Rz. 48
Baugenehmigung. Ist der Anwalt damit beauftragt, die Baugenehmigung für ein Vorhaben zu beantragen und gleichzeitig mit beteiligten Dritten, etwa Nachbarn, wegen Zustimmungserklärungen oder Verzichten auf eine Grunddienstbarkeit zu verhandeln, liegt nur eine Angelegenheit vor.
Rz. 49
Beratungshilfe. Zum Begriff der Angelegenheit in der Beratungshilfe vgl. VV Vor 2.5 Rdn 150 ff.
Rz. 50
Bußgeldverfahren. Bußgeld- und Strafverfahren sind immer zwei verschiedene Angelegenheiten, da sie in verschiedenen Teilen des VV geregelt sind. Für den Fall der Einstellung des Bußgeldverfahrens und anschließender weiteren Verfolgung als Straftat ist dies ausdrücklich gesetzlich geregelt in § 17 Nr. 10.
Die gleichzeitige Terminierung verschiedener Bußgeldsachen bewirkt noch keine Verfahrensverbindung. Nicht formell verbundene oder getrennte Verfahren sind kostenrechtlich getrennt zu behandeln und stellen verschiedene Angelegenheiten dar, für die der Rechtsanwalt Gebühren gelt...