aa) Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Rechtsanwalts
Rz. 262
Kündigt der Auftraggeber wegen vertragswidrigen Verhaltens des Rechtsanwalts, gilt wiederum zunächst § 628 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Abs. 4, wonach der Anwalt die seiner bisherigen Tätigkeit entsprechende Vergütung behält. Eingeschränkt wird dieser Grundsatz jedoch wiederum durch § 628 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der Anspruch entfällt, soweit der Auftraggeber an der bisherigen Tätigkeit des Rechtsanwalts kein Interesse hat.
Rz. 263
Von einem vertragswidrigen Verhalten des Rechtsanwalts ist auszugehen, wenn er bei Ausführung seines Auftrags Fehler begeht, die nicht mehr zu beseitigen sind. Soweit sich die Fehler beseitigen lassen, etwa durch einen Wiedereinsetzungsantrag, Nachreichen von Schriftsätzen, ohne dass es zur Anwendung von Verspätungsrecht kommt, o.Ä., dürfte ein vertragswidriges Verhalten noch nicht vorliegen.
Rz. 264
Unerheblich ist es insoweit, ob der Anwalt den Mandanten in dieser Sache unsachgemäß vertreten hat. Auch dann, wenn der Anwalt in einer anderen Sache des Auftraggebers Fehler begangen hat, ist das Vertrauensverhältnis zerstört, so dass eine Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens möglich ist.
Rz. 265
Ein vertragswidriges Verhalten liegt vor, wenn der Anwalt
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nach Annahme des Auftrags zu den gesetzlichen Gebühren ein Sonderhonorar fordert und davon seine weitere Tätigkeit abhängig macht; |
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Tatsachen vorträgt, die dem Auftraggeber schaden; |
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ohne Zustimmung des Auftraggebers eine durch Vertragsstrafe abgesicherte Unterlassungserklärung abgibt; |
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den Mandanten nicht hinreichend über einen bestehenden oder potentiellen Interessenkonflikt aufklärt. Zwar ist noch kein Parteiverrat gegeben, wenn der Anwalt den Gegner in einer anderen Sache vertritt. Das Vertrauen in den Anwalt ist jedoch erschüttert, da der Auftraggeber damit rechnen muss, dass der Anwalt im Hinblick auf das anderweitig bestehende Mandatsverhältnis mit dem Dritten die eigene Sache nicht mit dem notwendigen Nachdruck betreibt. Unterlässt es der Anwalt, den Auftraggeber auf die bestehende Situation hinzuweisen, so handelt er vertragswidrig, so dass der Auftraggeber aus diesem Grunde kündigen kann. |
Rz. 266
Kündigt der Auftraggeber wegen vertragswidrigen Verhaltens des Anwalts, so sind Vorschüsse, die über die dem Anwalt letztlich zustehende Vergütung hinausgehen, abzurechnen und nach § 628 Abs. 1 S. 3 i.V.m. §§ 347, 987 ff. BGB zurückzuzahlen. Der Anwalt kann sich in diesem Falle nicht auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen.
bb) Kündigung ohne vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwalts
Rz. 267
Kündigt der Auftraggeber, ohne dass ein vertragswidriges Verhalten des Anwalts vorgelegen hat, bleibt es bei § 628 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Abs. 4. Der Anwalt behält die volle Vergütung, die er bis zu diesem Zeitpunkt verdient hat.