1. Grundsatz
Rz. 11
Die Vorschrift des Abs. 1 stellt im Zusammenhang mit der des Abs. 2 den Grundsatz der Einmaligkeit der Gebühren auf. In derselben Angelegenheit kann jede Gebühr grundsätzlich nur einmal ausgelöst werden. Die Konsequenz hieraus ist, dass den Gebühren ein Pauschalcharakter zukommt, dass sie also innerhalb derselben Angelegenheit im Rahmen ihres Abgeltungsbereiches sämtliche Tätigkeiten erfassen. Die Gebühren entstehen daher auch dann nur einmal, wenn der Tatbestand mehrmals verwirklicht wird.
Beispiel 1: In einem Rechtsstreit finden mehrere Verhandlungstermine statt.
Die Terminsgebühr nach VV 3104 fällt nur einmal an.
Beispiel 2: Der Anwalt erteilt dem Mandanten mehrere Ratschläge in einer Unterhaltsangelegenheit.
Der Anwalt erhält die Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1 S. 1 nur einmal.
Beispiel 3: Die Parteien schließen unter Mitwirkung ihrer Anwälte zunächst eine teilweise Einigung. Später einigen sie sich auch über den Rest.
Es entsteht insgesamt nur eine Einigungsgebühr nach VV 1000.
Rz. 12
Der gleiche Grundsatz der Einmaligkeit der Gebühren ist in § 18 Abs. 1 Nr. 1 für Zwangsvollstreckungssachen gesondert geregelt. Hinsichtlich der zwangsvollstreckungsrechtlichen Angelegenheiten sei daher auf die Kommentierung zu § 18 Abs. 1 Nr. 1 verwiesen.
Rz. 13
In Strafsachen war früher eine entsprechende Regelung in § 87 BRAGO enthalten. Diese findet sich jetzt in VV Vorb. 4.1 Abs. 2. Im Übrigen gilt ergänzend auch hier § 15, so dass für strafrechtliche Angelegenheiten auf die Kommentierung zu dieser Vorschrift verwiesen werden kann.
Rz. 14
In Bußgeldsachen gilt VV Vorb. 5.1 Abs. 1.
Rz. 15
Eine vergleichbare Vorschrift enthält VV Vorb. 6.2 Abs. 1 für die Tätigkeit des Anwalts in Disziplinarverfahren und berufsgerichtlichen Verfahren wegen Verletzung einer Berufspflicht.
Rz. 16
Obwohl in derselben Angelegenheit die Gebühren grundsätzlich nur einmal entstehen können, kann die weitere Tätigkeit nach erstmaligem Auslösen des Gebührentatbestandes aber durchaus für die Höhe der Gebühren Bedeutung haben.
Rz. 17
Für Satz- und Betragsrahmengebühren haben der Umfang und die Dauer der anwaltlichen Tätigkeit Auswirkungen auf die Höhe der Gebühren. Der Anwalt kann zwar die Gebühr insgesamt nur einmal verlangen; er kann jedoch innerhalb des Rahmens gemäß § 14 Abs. 1 die Höhe der Gebühr bestimmen, so dass hier ein gewisser Ausgleich geschaffen wird und die Höhe der Gebühr dem tatsächlichen Aufwand angepasst werden kann.
Rz. 18
Bei den Wertgebühren nach festen Sätzen, insbesondere bei den Gebühren nach VV Teil 3, ist eine solche Anpassung nicht möglich. Hier schaffen allerdings § 22 Abs. 1 RVG; § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 39 GKG, §§ 33 Abs. 1 S. 1, 44 Abs. 1 FamGKG einen Ausgleich. Wird der Anwalt hinsichtlich mehrerer Gegenstände tätig, werden die einzelnen Werte addiert.
Beispiel: In einem Rechtsstreit wird zunächst über 3.000 EUR verhandelt, später über weitere 5.000 EUR.
Der Anwalt erhält die Terminsgebühr zwar insgesamt nur einmal. Sie berechnet sich nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG jedoch aus dem Gesamtwert von 8.000 EUR.
Rz. 19
Darüber hinaus ist es ausnahmsweise auch bei Festgebühren möglich, dass sich infolge der weiteren Tätigkeit der Gebührensatz von einem Bruchteil auf eine volle Gebühr erhöht.
Beispiel 1: Im ersten Termin wird nur Vertagung beantragt, weil der Gegner und sein Anwalt nicht erscheinen; im zweiten Termin wird verhandelt.
Der Anwalt erhält für den Vertagungsantrag die Terminsgebühr der VV 3104 nur zu einem ermäßigten Satz von 0,5 nach VV 3105. Diese Gebühr erwächst durch die streitige Verhandlung dann zu einer 1,2-Gebühr aus VV 3104.
Beispiel 2: Der Anwalt bestellt sich im Berufungsverfahren zunächst nur für den Berufungsbeklagten. Später wird die Berufung begründet. Daraufhin beantragt der Anwalt die Zurückweisung der Berufung.
Für die bloße Bestellung erhält der Anwalt zunächst die Verfahrensgebühr der VV 3200 zunächst nur zu einem Gebührensatz von 1,1 nach VV 3201 Nr. 1. Mit Stellung des Zurückweisungsantrags erhöht sich diese Gebühr auf eine 1,6-Gebühr nach VV 3200.
Der Grundsatz der Einmaligkeit der Gebühren bleibt auch dann erhalten, wenn sich der Auftrag zunächst erledigt hat, der Anwalt in derselben Angelegenheit aber erneut beauftragt wird. Nach Abs. 5 S. 1 erhält der Anwalt auch hier die Gebühren nur einmal, und zwar in der Höhe, in der er sie erhalten hätte, wenn er von vornherein einen Gesamtauftrag erhalten hätte.
2. Ausnahmen
a) Übersicht
Rz. 20
Von dem Grundsatz der Einmaligkeit der Gebühren (Abs. 1, Abs. 2) gibt es nur noch eine Ausnahme (nämlich Abs. 3), nachdem die Regelung des § 38 Abs. 2 BRAGO weggefallen ist und auch die Regelungen für die erneute Hauptverhandlung nach den §§ 83 Abs. 2, 85 Abs. 2 und 86 Abs. 2, 109 Abs. 4, 109a Abs. 2 BRAGO nicht mehr gelten.
Rz. 21
Soweit in den Kommentaren auch die § 17 Nr. 4, Nr. 5, Nr. 9, § 21 u.a. angeführt werden, ist dies nicht zutreffend. Diese Vorschriften schaffen oder fingieren eine neue Gebührenangelegenheit. Der Grundsatz des Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 wird also ni...