Rz. 284
Wird der Anwalt in derselben Angelegenheit, in der er bereits tätig gewesen ist, erneut beauftragt, so erhält er nach Abs. 5 S. 1 nicht mehr an Gebühren, als wenn er von vornherein auch mit der weiteren Tätigkeit beauftragt gewesen wäre. Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 5 S. 1 ist, dass ungeachtet des weiteren Auftrags immer noch dieselbe Angelegenheit vorliegt. Daher fallen unter Abs. 5 S. 1 nicht diejenigen Fälle, in denen kraft Gesetzes der weitere Auftrag eine neue Angelegenheit darstellt, also z.B. der Auftrag zum streitigen Verfahren nach Durchführung des Mahnverfahrens (§ 16 Nr. 2) oder der Auftrag, nach einer gewährten Beratung (§ 34 Abs. 1) den Gegner anzuschreiben. In diesen Fällen werden vielmehr neue Gebühren ausgelöst, die allerdings gegebenenfalls anzurechnen sind (§ 34 Abs. 2; Anm. zu VV 2100 a.F.; VV Vorb. 3 Abs. 4; Anm. zu VV 3305, Anm. zu VV 3307).
Rz. 285
Die bisherige Angelegenheit darf auch nicht vollständig erledigt sein, anderenfalls löst der neue Auftrag eine neue Angelegenheit aus.
Beispiel: Der Anwalt erhält von einem Vermieter den Auftrag, die offene Januar-Miete vom Mieter beizutreiben. Der Anwalt verfasst ein Mahnschreiben, woraufhin die Miete gezahlt wird. Hiernach beauftragt der Vermieter den Anwalt, die nunmehr rückständig gewordene Miete für den Monat März beizutreiben.
Es liegt kein Fall des Abs. 5 S. 1 vor. Der erste Auftrag war bereits abgeschlossen. Es liegt vielmehr eine neue Angelegenheit nach Abs. 1, Abs. 2 vor.
Rz. 286
Die Anwendung des Abs. 5 S. 1 kann dazu führen, dass der Anwalt für die weitere Tätigkeit keine weitere Vergütung erhält.
Beispiel: Der Verhandlungsvertreter (VV 3401) erhält den Auftrag, an einem weiteren Verhandlungstermin teilzunehmen, nachdem die mündliche Verhandlung wieder eröffnet worden ist.
Hier entstehen keine zusätzlichen Gebühren, sofern sich nicht der Gegenstandswert verändert hat.
Rz. 287
Soweit der weitere Auftrag umfassender ist, können dagegen auch weitere oder höhere Gebühren entstehen.
Beispiel: Der Verhandlungsvertreter wird später zum Prozessbevollmächtigten bestellt.
Er kann jetzt insgesamt nur die Vergütung eines Prozessbevollmächtigten abrechnen (VV 3100 ff.).
Rz. 288
Ergeben sich Änderungen des Gegenstandswerts durch die weitere Tätigkeit, so ist dies zu berücksichtigen. Verringert sich der Gegenstandswert, ist dies unbeachtlich. Erhöht sich der Gegenstandswert, so berechnen sich die erneut anfallenden Gebühren nach dem höheren Wert.
Rz. 289
Soweit Betrags- oder Satzrahmengebühren anzuwenden sind, ist die weitere Tätigkeit im Rahmen des § 14 Abs. 1 zu berücksichtigen. Der zusätzliche Aufwand und die zusätzliche Arbeit durch den erneuten Auftrag sind Gebühren erhöhend zu berücksichtigen.
Beispiel: Nach Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO rechnet der Anwalt eine Verfahrensgebühr nach VV 4104 als Mittelgebühr ab. Später wird das Verfahren wieder aufgenommen und erneut eingestellt.
Der Verteidiger kann jetzt insgesamt eine über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr nach VV 4104 fordern.
Rz. 290
Die Vorschrift des Abs. 5 S. 1 ist auch dann anzuwenden, wenn der Anwalt zunächst als Kanzleiabwickler tätig geworden ist und nach Beendigung seiner Abwicklertätigkeit später als Prozessbevollmächtigter beauftragt wird. Der Abwickler tritt gebührenrechtlich an die Stelle des verstorbenen Anwalts (§ 55 Abs. 3 BRAO). Mit der Beendigung der Abwicklertätigkeit endet diese Gleichstellung. Ab dann kann der Abwickler-Anwalt, wenn er selbstständig mandatiert wird, alle Gebühren neu verdienen, ist in seinem Vergütungsanspruch allerdings durch Abs. 5 S. 1 begrenzt.