1. Begrenzung bei mehreren Einzelaufträgen (1. Var.)
Rz. 303
Ist der Anwalt mit mehreren einzelnen Handlungen beauftragt, so erhält er insgesamt nicht mehr an Gebühren, als ein mit der gesamten Angelegenheit beauftragter Rechtsanwalt erhalten hätte.
Rz. 304
Soweit ein Anwalt nur mit Einzeltätigkeiten beauftragt ist, erhält er in der Regel geringere Gebühren als der Anwalt, der mit der Vertretung im gesamten Verfahren beauftragt ist (z.B. VV 3403; VV 4300 ff.; VV 5200). Wird der Anwalt mit mehreren Einzeltätigkeiten nacheinander beauftragt, so könnte dies dazu führen, dass er durch die Addition der einzelnen Gebühren insgesamt eine höhere Vergütung erhielte als derjenige Anwalt, der mit der Vertretung im Verfahren insgesamt beauftragt worden wäre. Diese Konsequenz will Abs. 6, 1. Var. verhindern, indem er, ähnlich wie Abs. 3, das Gesamtgebührenaufkommen des nur mit Einzeltätigkeiten beauftragten Anwalts begrenzt.
Beispiel: Der Anwalt wird beauftragt, in einem Scheidungsverfahren einen bereits ausgehandelten Unterhaltsvergleich zu protokollieren (Wert 6.000 EUR). Nach Protokollierung und Ausspruch des Scheidungsurteils wird er beauftragt, in der Ehesache (Wert 9.000 EUR) einen Rechtsmittelverzicht zu erklären.
Für die Protokollierung des Unterhaltsvergleichs erhält der Anwalt eine Gebühr nach VV 3404 aus 6.000 EUR. Für den weiteren Auftrag zur Abgabe des Rechtsmittelverzichts erhält er eine weitere Gebühr nach VV 3404 aus dem Wert von 9.000 EUR.
Rz. 305
Wäre der Anwalt von vornherein mit der Protokollierung und dem Rechtsmittelverzicht beauftragt worden, so wäre ihm nur eine einzige Gebühr nach VV 3404 entstanden, allerdings aus dem Gesamtwert von 15.000 EUR (§ 22 Abs. 1). Insgesamt erhält der Anwalt daher lediglich diese Gebühr.
Rz. 306
War der Anwalt zunächst nur mit Einzeltätigkeiten beauftragt und wird er anschließend mit der Vertretung im Gesamten beauftragt, liegt kein Fall des Abs. 6 vor, sondern ein Fall des Abs. 1, da es sich nicht um verschiedene Einzelaufträge handelt, sondern der Auftrag erweitert wird. Das Ergebnis ist jedoch dasselbe.
Beispiel: Der Anwalt ist als Verhandlungsvertreter (VV 3401, 3402) beauftragt. Später wird er als Prozessbevollmächtigter bestellt.
Es gilt nunmehr Abs. 1. Der Anwalt erhält die Gebühren insgesamt nur einmal. Die halbe Verfahrensgebühr nach VV 3401 erhöht sich auf eine volle 1,3-Verfahrensgebühr. Hinsichtlich der Terminsgebühr ergeben sich ohnehin keine Unterschiede.
Rz. 307
Die Vorschrift des Abs. 6 gilt auch in Strafsachen (VV Vorb. 4.3 Abs. 3 S. 2).
Beispiel: Der Anwalt wird beauftragt, eine Berufungsbegründung zu entwerfen. Später erhält er den Auftrag, den Verkehr mit dem auswärtigen Verteidiger zu führen.
Der Anwalt erhält zwei Gebühren nach VV 4301 Nr. 1 und VV 4301 Nr. 3. Gemäß VV Vorb. 4.3 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 15 Abs. 6 erhält er jedoch nicht mehr als eine Gebühr nach VV 4124 zuzüglich Grundgebühr nach VV 4100.
2. Begrenzung bei einem Einzelauftrag (2. Var.)
Rz. 308
Eine weitere Begrenzung ist durch das Zweite Justizmodernisierungsgesetz eingefügt worden. Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass ein Anwalt, der nur mit einer Einzeltätigkeit beauftragt worden ist, keine höheren Gebühren erhält als ein Anwalt, der mit dem gesamten Verfahren beauftragt worden wäre. An sich war diese Regelung überflüssig, weil die wohl einhellige Auffassung Abs. 6 bereits in diesem Sinne ausgelegt hat. Die Änderung des Gesetzes dient aber der Klarstellung. Erfasst werden diejenigen Fälle, in denen das Gesetz für bestimmte Einzeltätigkeiten eine höhere Vergütung vorsieht als in der Hauptsache.
Beispiel: Der Anwalt wird ausschließlich mit der Erinnerung nach § 766 ZPO gegen eine Maßnahme des Gerichtsvollziehers beauftragt, ohne auch im zugehörigen Zwangsvollstreckungsverfahren beauftragt zu sein (Wert: 3.000 EUR).
Die Erinnerung ist in VV 3500 geregelt und löst eine 0,5-Verfahrensgebühr aus. Die Hauptsache, nämlich das Zwangsvollstreckungsverfahren, ist in VV 3309 geregelt und löst lediglich eine 0,3-Verfahrensgebühr aus. Da die Erinnerung hier (auch nach der früheren Fassung des RVG – keine Erinnerung gegen eine Entscheidung des Rechtspflegers – siehe dazu auch unten II. 2.) mit zum Verfahren zählt (§ 19 Abs. 1 S. 1, arg. e § 18 Nr. a.F.), kann es nicht angehen, dass der Anwalt höhere Gebühren verdient als in der Hauptsache. Es entsteht zwar die Verfahrensgebühr nach VV 3500; diese ist jedoch zu kürzen. Zu rechnen ist wie folgt:
1. |
0,3-Verfahrensgebühr, VV 3500 (Wert: 3.000 EUR) (gekürzt nach § 15 Abs. 6 i.V.m. VV 3309) |
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66,60 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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13,32 EUR |
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Zwischensumme |
79,92 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
15,18 EUR |
Gesamt |
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95,10 EUR |
Rz. 309
Die Begrenzung gilt nicht nur für Verfahrensgebühren, sondern auch für Terminsgebühren.
Beispiel: Der Anwalt wird ausschließlich mit der Erinnerung nach § 766 ZPO gegen eine Maßnahme des Gerichtsvollziehers beauftragt, ohne auch im zugehörigen Zwangsvollstreckungsverfahren beauftragt zu sein (Wert: 3.000 EUR). Über die Erinnerung wird vor Gericht mündlich verhandelt.
Auch die Terminsgebühr ist jetzt nach ...