Rz. 88
Die Regelung des Abs. 3 besagt, dass sich ein Dritter grundsätzlich nicht auf eine Anrechnung berufen kann. Dies hat vor allem Bedeutung für die Kostenerstattung. Da jede Gebühr selbstständig ist, kann die im Rechtsstreit obsiegende Partei also grundsätzlich die Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr verlangen, und zwar unbeschadet der Anrechnung einer eventuell zuvor entstandenen Geschäftsgebühr.
Der Erstattungspflichtige kann also vor allem nicht mehr – wie früher – einwenden, es sei auf Seiten des Erstattungsberechtigten zuvor eine Geschäftsgebühr entstanden, daher seien die Kosten des Rechtsstreits um den anzurechnenden Betrag vermindert. Nur dann, wenn der Erstattungspflichtige selbst die anzurechnende Gebühr bereits gezahlt oder anderweitig erfüllt hat oder diese gegen ihn bereits tituliert ist, kann er sich nach Abs. 3 auf die Anrechnung berufen.
Beispiel: Der Beklagte war vorgerichtlich in Höhe von 8.000 EUR Anspruch genommen worden und hatte durch seinen Anwalt die Forderung abwehren lassen. Angefallen war insoweit eine 1,3-Geschäftsgebühr. Es kam hiernach zum Rechtsstreit. Die Klage wurde abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hatte der Kläger zu tragen.
Während nach der anfänglichen Rechtsprechung des BGH der Beklagte im Kostenfestsetzungsverfahren nur noch die Verfahrensgebühr abzüglich der hälftig anzurechnenden Geschäftsgebühr (also 1,3 – 0,65 = 0,65) verlangen konnte, kann sich der Erstattungspflichtige nach Abs. 3 auf diese Anrechnung nicht mehr berufen. Gegen ihn muss die volle 1,3-Verfahrensgebühr festgesetzt werden:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 8.000 EUR) |
|
652,60 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3100 (Wert: 8.000 EUR) |
|
602,40 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.275,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
242,25 EUR |
Gesamt |
|
1.517,25 EUR |
Rz. 89
Dieser Grundsatz des Abs. 3 hat mit dem 2. KostRMoG auch Einzug in verwaltungs-, sozial- und steuerrechtlichen Angelegenheiten gehalten (damals noch Abs. 2) sowie in Verfahren nach der WBO und WDO. Das gilt hier nicht nur im gerichtlichen Verfahren, sondern auch bei einer Erstattung im Nachprüfungsverfahren.
Beispiel (verwaltungsrechtliches Nachprüfungsverfahren): Der Anwalt wird im Verwaltungsverfahren vor der Behörde beauftragt (Wert: 6.000 EUR). Gegen den Bescheid der Behörde legt er Widerspruch ein, der erfolgreich ist, sodass die Behörde die Kosten des Widerspruchsverfahrens erstatten muss. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Widerspruchsverfahren war die Sache umfangreich und schwierig, aber durchschnittlich.
Gegenüber dem Mandanten rechnet der Anwalt – ausgehend von den Mittelgebühren – wie folgt ab:
I. |
Verwaltungsverfahren |
|
|
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 (Wert: 6.000 EUR) |
|
585,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
605,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
114,95 EUR |
Gesamt |
|
719,95 EUR |
II. |
Widerspruchsverfahren |
|
|
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 (Wert: 6.000 EUR) |
|
585,00 EUR |
2. |
gem. VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 1 anzurechnen, 0,75 aus 6.000 EUR |
|
– 292,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
312,50 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
59,38 EUR |
Gesamt |
|
371,88 EUR |
Gesamt I. + II. |
|
1.091,83 EUR |
Zu erstatten ist jedoch unter Berücksichtigung des Abs. 3 die volle Geschäftsgebühr unbeschadet der Anrechnung:
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 (Wert: 6.000 EUR) |
|
585,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
605,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
114,95 EUR |
Gesamt |
|
719,95 EUR |
Beispiel (sozialrechtliches Nachprüfungsverfahren): Der Anwalt wird im Verwaltungsverfahren vor der Sozialbehörde beauftragt. Gegen den Bescheid der Behörde legt er Widerspruch ein, der erfolgreich ist, sodass die Behörde die Kosten des Widerspruchsverfahrens erstatten muss. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Widerspruchsverfahren war die Sache umfangreich und schwierig, aber durchschnittlich.
Gegenüber dem Mandanten rechnet der Anwalt jeweils ausgehend von der Mittelgebühr wie folgt ab:
I. |
Verwaltungsverfahren |
|
|
1. |
Geschäftsgebühr, VV 2302 Nr. 1 |
|
415,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
435,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
82,65 EUR |
Gesamt |
|
517,65 EUR |
II. |
Widerspruchsverfahren |
|
|
1. |
Geschäftsgebühr, VV 2302 Nr. 1 |
|
415,00 EUR |
2. |
gem. VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 1 anzurechnen |
|
– 207,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
227,50 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
43,23 EUR |
Gesamt |
|
270,73 EUR |
Gesamt I. + II. |
|
788,38 EUR |
Zu erstatten ist unter Berücksichtigung des Abs. 3 die volle Geschäftsgebühr, unbeschadet der Anrechnung:
1. |
Geschäftsgebühr, VV 2302 Nr. 1 |
|
415,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
435,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
82,65 EUR |
Gesamt |
|
517,65 EUR |
Beispiel (verwaltungsgerichtliches Verfahren): Der Anwalt wird im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt. Gegen den Bescheid der...