Rz. 50
Der Anwalt kann nach Abs. 1 frei wählen, welche der aufeinander anzurechnenden Gebühren er in voller Höhe einfordert und welche vermindert. Er kann selbstverständlich nicht beide Gebühren unvermindert einfordern.
Beispiel: Der Anwalt hatte nach einem Gegenstandswert von 8.000 EUR eine 1,5-Geschäftsgebühr (VV 2300) verdient und anschließend im gerichtlichen Verfahren eine 1,3-Verfahrensgebühr (VV 3100).
Nach Abs. 1 entstehen diese beiden Gebühren zunächst einmal unabhängig voneinander, insgesamt kann allerdings nicht mehr beansprucht werden als der um die Anrechnung gekürzte Betrag. Insgesamt steht dem Anwalt also zu: 1,5 + 1,3 – 0,75 = 2,05.
Fordert der Anwalt die Geschäftsgebühr in voller Höhe ein, dann darf er von der Verfahrensgebühr lediglich noch 0,55 verlangen.
I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000 EUR)
1. | 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 | 753,00 EUR | |
2. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 773,00 EUR | ||
3. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 146,87 EUR | |
Gesamt | 919,87 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren (Wert: 8.000 EUR)
1. | 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 | 652,60 EUR | |
2. | gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,75 aus 8.000 EUR | – 376,50 EUR | |
3. | 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 | 602,40 EUR | |
4. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 898,50 EUR | ||
5. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 170,72 EUR | |
Gesamt | 1.069,22 EUR | ||
Gesamt I. + II. | 1.989,09 EUR |
Fordert der Anwalt dagegen die Verfahrensgebühr in voller Höhe ein, dann verringert sich die Geschäftsgebühr um 0,75, sodass er insoweit lediglich noch restliche 0,75 verlangen kann.
I. Gerichtliches Verfahren (Wert: 8.000 EUR)
1. | 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 | 652,60 EUR | |
2. | 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 | 602,40 EUR | |
3. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 1.275,00 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 242,25 EUR | |
Gesamt | 1.517,25 EUR |
II. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000 EUR)
1. | 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 | 753,00 EUR | |
2. | gem. § 15a, VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,75 aus 8.000 EUR | – 376,50 EUR | |
3. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 396,50 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 75,34 EUR | |
Gesamt | 471,84 EUR | ||
Gesamt I. + II. | 1.989,09 EUR |
Auf das Gesamtergebnis hat es also keinen Einfluss, welche Gebühr auf welche angerechnet wird.
Rz. 51
Besonders einprägsam lässt sich dies an einem Schaubild darstellen:
Beispiel: Der Anwalt hatte außergerichtlich eine 1,3-Geschäftsgebühr (VV 2300) verdient und im gerichtlichen Verfahren eine 1,3-Verfahrensgebühr (VV 3100).
Er kann beide Gebühren verlangen, insgesamt aber nicht mehr als 1,95.
Beide Gebühren entstehen selbstständig. Bei der Schnittmenge von 0,65 handelt es sich sowohl um Geschäfts- als auch um Verfahrensgebühr, die nur einmal verlangt werden kann, wobei der Anwalt frei ist, ob er sie als Teil der Geschäftsgebühr einfordert oder als Teil der Verfahrensgebühr. Auf das Gesamtergebnis hat das keinen Einfluss, da er in keinem Fall mehr als 1,95 erhält.
Rz. 52
Das gilt auch dann, wenn Betragsrahmengebühren nach § 3 Abs. 1 S. 1 anzurechnen sind.
Beispiel: Der Anwalt hatte im sozialrechtlichen Verwaltungs- und Nachprüfungsverfahren jeweils eine Geschäftsgebühr (Mittelgebühr) verdient.
Wird die Geschäftsgebühr des Verwaltungsverfahrens auf die Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens angerechnet, ergibt sich folgende Abrechnung:
I. | Verwaltungsverfahren | ||
1. | Geschäftsgebühr, VV 2302 Nr. 1 | 415,00 EUR | |
2. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 435,00 EUR | ||
3. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 82,65 EUR | |
Gesamt | 517,65 EUR | ||
II. | Widerspruchsverfahren | ||
1. | Geschäftsgebühr, VV 2302 Nr. 1 | 415,00 EUR | |
2. | gem. VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 1 anzurechnen | – 207,50 EUR | |
3. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 642,50 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 122,08 EUR | |
Gesamt | 764,58 EUR | ||
Gesamt I. + II. | 1.282,23 EUR |
Wird dagegen die Anrechnung der Geschäftsgebühr des Verwaltungsverfahrens bereits dort berücksichtigt, ergibt sich folgende Abrechnung:
I. | Verwaltungsverfahren | ||
1. | Geschäftsgebühr, VV 2302 Nr. 1 | 415,00 EUR | |
Gem. VV Vorb. 2.3 Abs. 4 S. 1 anzurechnen | – 207,50 EUR | ||
2. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 642,50 EUR | ||
3. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 122,08 EUR | |
Gesamt | 764,58 EUR | ||
II. | Widerspruchsverfahren | ||
1. | Geschäftsgebühr, VV 2302 Nr. 1 | 415,00 EUR | |
2. | Postentgeltpauschale, VV 7002 | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 435,00 EUR | ||
3. | 19 % Umsatzsteuer, VV 7008 | 82,65 EUR | |
Gesamt | 517,65 EUR | ||
Gesamt I. + II. | 1.282,23 EUR |
Auf das Gesamtergebnis hat es also auch hier keinen Einfluss, welche Gebühr auf welche angerechnet wird.
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