Rz. 86

Problematisch ist die Abrechnung, wenn im gerichtlichen Verfahren die Verfahrensgebühr zu unterschiedlichen Sätzen anfällt, sodass eine Kürzung nach § 15 Abs. 3 vorzunehmen wäre, die Geschäftsgebühr aber nur aus einem Teilwert anzurechnen ist. Es stellt sich dann die Frage, ob erst zu kürzen ist und dann anzurechnen oder ob umgekehrt vorzugehen ist.

 

Beispiel: Der Anwalt war für den Kläger nach einem Gegenstandswert von 120.000 EUR außergerichtlich tätig geworden und hatte dafür eine Mittelgebühr (1,5) abgerechnet.

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 (Wert: 120.000 EUR)   2.623,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.643,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   502,27 EUR
Gesamt   3.145,77 EUR

Hiernach kam es zum Rechtsstreit, der durch einen nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich erledigt wurde. In diesen Vergleich wurde auch eine weitere nicht anhängige Forderung in Höhe von 23.452 EUR mit aufgenommen. Eine Möglichkeit besteht darin, erst die Verfahrensgebühren unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 zu berechnen und hiernach dann anzurechnen:

a) Anrechnung der Geschäftsgebühr bei vorheriger Kürzung

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 120.000 EUR) 2.273,70 EUR  
2.

0,8-Verfahrensgebühr, VV 3100, 3101

(Wert: 23.452 EUR)
699,20 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als 1,3 aus 143.452 EUR   2.518,10 EUR
3.

gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,75 aus

120.000 EUR
  – 1.311,75 EUR
Gesamt   1.206,35 EUR

Nach zutreffender Ansicht ist anders zu rechnen.[33] Danach ist erst anzurechnen und dann ggf. nach § 15 Abs. 3 zu kürzen. Dies ergibt folgende Berechnung:

b) Anrechnung der Geschäftsgebühr ohne vorherige Kürzung

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 120.000 EUR) 2.273,70 EUR  
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen,    
  0,75 aus 120.000 EUR – 1.311,75 EUR  
      961,95 EUR
3. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3100, 3101    
  (Wert: 23.452 EUR)   699,20 EUR
Gesamt   1.661,15 EUR

Die Höchstgrenze des § 15 Abs. 3, nicht mehr als 1,3 aus 143.452 EUR (2.518,10 EUR) ist nicht erreicht.

 

Rz. 87

Dies gilt auch, wenn die Beratungshilfegeschäftsgebühr anzurechnen ist.[34]

 

Beispiel: Der Anwalt war für den Antragsteller wegen einer Zugewinnausgleichsforderung nach einem Gegenstandswert von 10.000 EUR außergerichtlich im Rahmen der Beratungshilfe tätig geworden und hatte dort die Geschäftsgebühr der VV 2503 (93,50 EUR) abgerechnet. Hiernach kam es zum Scheidungsverfahren, in dem ein Vergleich über den Versorgungsausgleich und den nicht anhängigen Zugewinn geschlossen wurde. Es wurde VKH für Verfahren und Vergleich bewilligt. Die Werte wurden wie folgt festgesetzt:

Ehesache: 6.600 EUR
Versorgungsausgleich: 1.320 EUR
Mehrwert Güterrecht: 10.000 EUR

Abzurechnen ist wie folgt:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: 7.920 EUR)   412,20 EUR
2. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3101 Nr. 2 (Wert: 10.000 EUR)   271,20 EUR
3. gem. Anm. Abs. 2 zu VV 2503 anzurechnen   – 46,75 EUR
  gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als 1,3 aus 17.920 EUR   499,20 EUR
4. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104 (Wert: 17.920 EUR)   460,80 EUR
5. 1,0-Einigungsgebühr, VV 1000, 1003 (Wert: 1.320 EUR)   127,00 EUR
6. 1,5-Einigungsgebühr, VV 1000 (Wert: 10.000 EUR)   508,50 EUR
  gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als 1,5 aus 11.320 EUR   585,00 EUR
7. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.511,00 EUR  
8. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   287,09 EUR
Gesamt   1.798,09 EUR
[33] OLG Stuttgart AGS 2009, 56 = RVGreport 2009, 103 = JurBüro 2009, 246; OLG Karlsruhe AGS 2011, 165 = NJW-Spezial 2011, 285; AGS 2013, 436; OLG München AGS 2012, 231 = RVGreport 2012, 176 = NJW-RR 2012, 767.
[34] LAG Schleswig-Holstein 23.12.2019 – 2 Ta 100/19, AGS 2020, 109 = RVGreport 2020, 134.

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